Einhundertundzweiundsiebenzigstes Kapitel.

[252] Indem ich vom Ende des vorigen Kapitels zurückblicke und überschaue, was ich geschrieben habe, finde ich, daß es nöthig sein wird, auf dieser Seite und den vier folgenden eine gute Portion verschiedenartiger Dinge einzuschieben, um jenes Gleichgewicht zwischen Weisheit und Thorheit herzustellen, ohne welches ein Buch kein Jahr lang zusammenhält. Eine armselige Abkriechung (die auch ebenso gut auf der Heerstraße stattfinden könnte, wenn's menschenwürdig wäre) thut's nicht;[252] nein! es muß eine Abschweifung sein, eine lustige, über einen lustigen Gegenstand, wo Roß und Reiter nicht einzufangen sind, als bis sie wo gegenrennen.

Die einzige Schwierigkeit besteht nur darin, die Mächte, die zu solchem Dienste geeignet sind, herbeizurufen: Phantasie ist eigensinnig, Witz will nicht gesucht sein, und Spaß kommt nicht, wenn man ihn ruft – nicht für ein Königreich (so gutmüthig er übrigens auch ist).

Das Beste ist also, man betet.

Aber dabei führt man sich wieder alle seine geistigen und leiblichen Gebrechen und Mängel zu Gemüthe und wird sich also zu dem beabsichtigten Zweck schlimmer befinden als vorher, – sonst aber besser.

Was mich anbetrifft, so giebt es unter dem Himmel kein Mittel, weder ein moralisches, noch ein physisches, das ich in solchem Falle nicht versucht hätte. Oft habe ich mich direkt an meine Seele gewandt und über den Umfang ihrer Fähigkeiten ein Langes und Breites mit ihr verhandelt.

– Derselbe wurde davon um keinen Zoll breit weiter. –

Dann änderte ich mein System und versuchte, was ich durch Mäßigkeit, Nüchternheit und Keuschheit des Leibes erreichen könnte. Diese Dinge sind gut, sagte ich mir, – an und für sich; sie sind absolut gut; sie sind relativ gut; sie sind gut für die Gesundheit; sind gut für das Glück in dieser Welt; sie sind gut für die ewige Glückseligkeit.

Kurz, sie waren zu Allem gut, nur dazu nicht, wozu ich sie brauchte; sie waren zu nichts gut, als die Seele gerade so zu lassen, wie Gott sie geschaffen hat. Was die frommen Tugenden, den Glauben und die Hoffnung anbetrifft, so geben sie Muth, aber den nimmt Demuth, die plinsende Tugend (wie mein Vater sie zu nennen pflegte), wieder weg, und dann ist man gerade wieder da, von wo man ausging.

Darum habe ich gefunden, daß in allen gewöhnlichen und häufig vorkommenden Fällen kein Mittel bessere Dienste thut, als folgendes:

Aber bei Gott! wenn Logik etwas werth ist und wenn ich[253] nicht von Selbstliebe geblendet werde, so muß doch etwas von einem Genie in mir sein, an diesem Zeichen erkennbar: daß ich nicht weiß, was Neid ist; denn habe ich je eine Erfindung gemacht oder einen Kunstgriff entdeckt, wie und auf welche Weise man es dahin bringen kann, besser zu schreiben, so mache ich es auch gleich öffentlich bekannt. Mir wäre es am liebsten, wenn alle Leute so gut schrieben als ich.

Quelle:
Sterne [, Lawrence]: Tristram Shandy. Band 2, Leipzig, Wien [o. J.], S. 252-254.
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