Fünfzehntes Kapitel
Ein Brief

[186] Ich will dem Leser nur noch einen Brief mitteilen, den ich vor einiger Zeit erhielt, damit er daraus sehe, welch ein bekannter und angesehener Mann aus mir wird. Ich habe schon mehr Leute gesehn, die Briefe, die sie von gekrönten Häuptern oder vornehmen Personen bekommen, unter Glas und Rahm fassen lassen, und zu jedermanns Erbauung in ihre Putzstube aufhängen. Ich habe mit nachfolgendem Briefe dasselbe getan, aber ich will ihn hier noch zum Überfluß abdrucken lassen, damit ihn auch alle diejenigen lesen können, die sich nicht die Mühe geben wollen, mich zu besuchen.


Hochedelgeborner Herr!


Ich bin sehr erfreut, daß ich durch Dero Buch die Bekanntschaft von Ew. Hochedlen gemacht habe. Ich muß Denenselben nämlich zu wissen tun, daß ich mich von Jugend auf einer vernünftigen Aufklärung beflissen habe, ich lese daher nicht alle Bücher ohne Ausnahme, sondern nur die guten. Es wird Denenselben bekannt sein, daß Ihre Lebensbeschreibung in Wien verboten ist, und da ich nun eigentlich nur die verbotenen Bücher lese, so war es gleich mein erstes Geschäft, mir den ersten Teil des Peter Lebrecht, zugleich mit den grauen Brüdern und andern vortrefflichen Werken, kommen zu lassen. Ich ersah aus Dero Geschichte, daß Dieselben eigentlich ein Edelmann sind, ich war daher lange ungewiß, wie ich Sie anreden und titulieren sollte doch, da Sie den Adel wieder abgelegt haben, und durch Ihre Mesalliance zeigen, daß Sie ihn fast nicht achten, so habe ich endlich doch nach vielem Bedenken die bürgerliche Anrede gewählt, wodurch ich aber Dieselben auf keine Weise habe beleidigen wollen.


Ich will aber zum Zwecke meines Schreibens kommen. Ich habe aus Ihrem Buche gesehn, daß Sie ein Mann von ungemein großen Talenten sind, daß Sie vernünftig und aufgeklärt denken, und einen angenehmen und zugleich lehrreichen Stil in Ihrer Gewalt haben. Mich dünkt, die Nürnberger gelehrte Zeitung hat auch ein ähnliches Urteil gefällt, ich kann also um so sichrer sein, daß ich nicht auf falschen Irrwegen wandle. Neulich sah' ich hier ein Werk in Folio, mit sehr vielen ausgemalten Kupfern; ich[186] glaube, es war eine sogenannte Flora oder Fauna, wo sich ein Gelehrter die Mühe gegeben hatte, von Blumen, ihren Geschlechtern und Vorfahren ein weitläuftiges Wesen zu beschreiben. Nun hätt ich gar zu gern eine solche Fauna mit ausgemalten Kupfern und Wappenschildern von meiner eigenen Familie; ich habe in meinem Schlosse ein großes Archiv, und ich wollte eben Dieselben ersuchen, hieherzukommen, und allhier einen ähnlichen Folianten zu schreiben. Unter meinen Ahnherren waren große und denkwürdige Männer. Nur müssen sich Dieselben in diesem Buche vor dem scherzhaften und niedlichen Stile sehr in acht nehmen, sondern immer tief ins Große und Ernsthafte hineinzugehn suchen: denn Lachen hat seine Zeit, und auch die Würde hat ihre Zeit. So könnten Ew. Hochedlen der Geschichtschreiber meiner Familie werden; das Buch müßte so eingerichtet werden, daß es in Wien verboten würde, damit auch ebenso aufgeklärte und vernünftige Männer, als ich, es läsen und beherzigten, und indem ich Ihre Antwort erwarte, verharre ich

Dero Freund und Gönner,

Baron D.. zu F... frt., Erb-, Lehn-

und Gerichtsherr auf G...

Quelle:
Ludwig Tieck: Werke in vier Bänden, Band 1, München 1963, S. 186-187.
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