7,7

[300] Sieben Jahre und sieben Minuten

mußten zwei Arbeiterherzen bluten.


Sieben Jahre?

Zellenenge,

Nächte – Luft! – Visionengedränge.

Zehnmal in die Todeskammer –

zehnmal den allerletzten Jammer –

zehnmal: jetzt ist alles aus.

Zehnmal: Grüßt uns die zu Haus!

Zehnmal: vor der eignen Bahre.

Zum Tode verurteilt sieben Jahre.


Sieben Minuten:

Das Blut gerinnt.

Wißt ihr, wie lang sieben Minuten sind –?

Sieben Minuten Krampf und Qual,

Muskeln zucken noch ein Mal –

Blut kocht in Venen – Hebelgekreisch –

es riecht nach angesengtem Fleisch –

irr drehn sich Pupillen – das Ding sitzt gebunden

420 lange Sekunden . . .

Strom weg. Tot? Hallelujah!

Bravo! Bravo, U.S.A. –!


Sieben Jahre und sieben Minuten

mußten zwei Arbeiterherzen bluten.

Sieben Minuten und sieben Jahre –


Diesen Schwur an ihrer Bahre:


Alle für zwei. Ihr starbt nicht allein.

Es soll ihnen nichts vergessen sein.


  • · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 30.08.1927, Nr. 35, S. 342.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 5, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 300.
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