Das Lächeln der Mona Lisa

[320] Ich kann den Blick nicht von dir wenden.

Denn über deinem Mann vom Dienst

hängst du mit sanft verschränkten Händen

und grienst.


Du bist berühmt wie jener Turm von Pisa,

dein Lächeln gilt für Ironie.[320]

Ja . . . warum lacht die Mona Lisa?

Lacht sie über uns, wegen uns, trotz uns, mit uns, gegen uns –

oder wie –?


Du lehrst uns still, was zu geschehn hat.

Weil uns dein Bildnis, Lieschen, zeigt:

Wer viel von dieser Welt gesehn hat –

der lächelt, legt die Hände auf den Bauch

und schweigt.


  • · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 27.11.1928, Nr. 48, S. 819, wieder in: Mona Lisa.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 6, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 320-321.
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