S. J.

[211] Wärst du noch da!

Soviel wartet auf dich.

Alles wartet vergebens.

Du tätest dein Werk so säuberlich

wie im Laufe deines Lebens.

Ich seh dich am Tisch. Und die trübe Zeit

wäre hell – denn du bist heiter.

Du pfiffst auf die härteste Schwierigkeit:

du lachst und arbeitest weiter.


Du kanntest das Blatt und seinen Ort

im Strudel der tausend Parteien.

Leise schobst du die Bonzen fort

und ließest die Schreier schreien.

Du warst dem, der schreiten und folgen kann,

der treuste Begleiter.

Pfiff der Wind recht laut: wir sahn dich nur an –

du lachst und arbeitest weiter.


Aber nun bist du untergetaucht.

Wir sehn noch nach deinen Zielen.

Jeder hat mal einen Vater gebraucht . . .

du warst der Vater von vielen . . .[211]

Ich hör deine Stimme: »Wer schwach ist, flennt.

Arbeiten ist gescheiter.«

Und wenn der ganze Schnee verbrennt:

wir lachen und arbeiten weiter.


  • · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 09.09.1930, Nr. 37, S. 423.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 8, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 211-212.
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