An Chloen

[20] Ich merke, wann sich Chloe zeiget,

Daß nun mein Auge nicht mehr schweiget;

Daß Suada nach den Lippen flieget

Und glühend roth im Antlitz sieget;

Daß alles sich an mir verjüngt,

Wie Blumen, die der Thau durchdringt.


Ich seh auf sie mit bangem Sehnen,

Und kann den Blick nicht weggewöhnen:

Die Anmuth, die im Auge wachet

Und um die jungen Wangen lachet,

Zieht meinen weggewichnen Blick

Mit güldnen Banden stets zurück.


Da strömt mein Blut mit schnellen Güssen;

Ich brenn', ich zittre, sie zu küssen;

Die Glut verstirbt in meinen Blicken

Und Ungedult will mich ersticken,

Indem ich immer Sehnsucht voll

Sie sehn und nicht umarmen soll.

Quelle:
Johann Peter Uz: Sämtliche poetische Werke, Stuttgart 1890, S. 20-21.
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Sämtliche poetische Werke. Hrsg. von A. Sauer