I.
Die Freibeuterei im großen Style

[527] William Dampier oder der König des Meeres im 17. Jahrhundert.


Geboren zu East Tocker im Jahre 1652, sah sich Dampier durch den vorzeitigen Tod seiner Eltern schon in der Kindheit auf sich selbst angewiesen. Ohne große Vorliebe für geistige Anstrengung, zog er es vor, durch die Wälder zu streifen und sich mit seinen Kameraden herumzuschlagen, als ruhig auf der Schulbank zu sitzen. In zartem Alter kam er als Schiffsjunge auf ein Handelsschiff, machte auf demselben eine Reise nach Neufundland und eine Fahrt nach Ostindien mit und trat dann in die Kriegsmarine ein;. bei einem Gefechte verwundet, kehrte er zu seiner Wiederherstellung nach Greenwich zurück. Ohne sich viel um das früher eingegangene Engagement zu kümmern, reiste er, nachdem er das Militärhospital verlassen, als Verwalter einer Plantage nach Jamaica ab. Hier merkte er aber zu bald, daß er zu einem solchen Geschäfte nicht tauge. Nach Verlauf von sechs Monaten verließ er seine Neger und schiffte sich nach der Campeche-Bai ein, wo er drei Monate lang mit der Einbringung von Farbholz beschäftigt war.


Japanischer Krieger. (Facsimile. Alter Kupferstich.)
Japanischer Krieger. (Facsimile. Alter Kupferstich.)

Später findet man ihn wieder in London; die Gesetze aber und die bestellten Wächter derselben belästigen ihn zu sehr. Er geht nach Jamaica zurück, wo er sehr bald mit den berüchtigten Buccaniers und Flibustiern in Berührung kam, welche den Spaniern damals so unendlichen Schaden zufügten.


 »Ah, Dampier, Sie hätten auch eine schlechte Mahlzeit abgegeben!« (S. 531.)
»Ah, Dampier, Sie hätten auch eine schlechte Mahlzeit abgegeben!« (S. 531.)

Diese, eigentlich auf der Schildkröten-Insel an der Küste von St. Domingo ansässigen Abenteurer von englischer und französischer Abstammung hatten Spanien unauslöschlichen Haß geschworen. Ihre Plünderungszüge beschränkten sich nicht allein auf den Golf von Mexico; sie überschritten ebenso die Landenge von Panama und verwüsteten die Küsten des Pacifischen Oceans von der[527] Magellan-Straße bis hinauf nach Kalifornien. Furcht und Schrecken übertrieben noch die Thaten der Flibustier, welche übrigens wirklich an's Wunderbare grenzten.

In die Reihen dieser Abenteurer, welche damals von Harris, Sawkins und Shays angeführt wurden, trat Dampier also ein. Im Jahre 1680 sehen wir ihn in Darien. Hier plündert er St. Maria, versucht vergeblich,[528] Panama zu überrumpeln und fängt mit seinen Spießgesellen, die sich nur elender, den Indianern gestohlener Boote bedienen können, acht wohlbewaffnete Schiffe ab, welche unfern der Stadt vor Anker lagen. Bei diesem Kampfe aber waren die Verluste der Flibustier so beträchtlich und die Beute so mager, daß sie auseinandergingen. Die Einen kehren nach dem Golf von Mexico zurück, die Anderen lassen sich auf der Insel Juan Fernandez nieder, von wo aus sie bald einen Angriff auf die Stadt Arica ausführen. Hierbei[529] erging es ihnen aber so übel, daß es zu einer neuen Trennung kam und Dampier sich nach Virginia begeben mußte, wo sein Kapitän neue Helfershelfer zu gewinnen hoffte. Hier rüstete Kapitän Cook ein Schiff aus zu dem Zwecke, durch die Magellan-Straße in den Pacifischen Ocean einzudringen. Dampier betheiligte sich bei dieser Fahrt. Man segelte zunächst längs der Küste Afrikas nach den Inseln des grünen Vorgebirges, Sierra Leone und in den Sherborough-Strom, denn das ist der gewöhnliche Weg, den die nach Südamerika bestimmten Schiffe einhielten. Unter dem 36. Grade südlicher Breite beobachtet Dampier, der in seinem Journal alle merkwürdigen Vorkommnisse sorgfältig einträgt, daß das Meer eine weiße, ganz blasse Farbe angenommen habe, ohne daß er sich über die Ursache dieser Erscheinung klar wird. Mit Hilfe des Mikroskops hätte er sich leicht genug darüber Rechenschaft geben können. Ohne Unfall segelt man an den Sebaldinen-Inseln vorbei, dringt in den Lemaire-Sund ein, doublirt am 6. Februar 1684 das Cap Horn und erreicht nach Ueberstehung eines schweren Sturmes, wie sie gewöhnlich die in den Pacifischen Ocean einfahrenden Schiffe überfallen, die Insel Juan Fernandez, wo man frischen Proviant einzunehmen gedachte. Da kam Dampier der Gedanke, ob er hier wohl einen von Kapitän Scharp im Jahre 1680 zurückgelassenen Indianer aus Nicaragua wiederfinden werde. »Dieser Indianer befand sich seit mehr als drei Jahren allein auf der Insel. Er irrte eben im Walde auf der Ziegenjagd umher, als der englische Kapitän seine Leute an Bord rief, und man war darauf unter Segel gegangen, ohne seine Abwesenheit zu bemerken. Jener besaß nur eine Flinte und ein Messer, nebst einem kleinen Pulverhorn und etwas Blei. Nachdem er Pulver und Blei verbraucht, gelang es ihm, mittelst des Messers den Lauf des Gewehres in kleine Stücke zu trennen, woraus er Harpunen, eine Lanze, Angelhaken and ein langes Messer herstellte. Mit diesen Hilfswerkzeugen verschaffte er sich Alles, was die Insel liefern konnte, nämlich Ziegen und Fische. Eine halbe Meile vom Meere entfernt, hatte er sich eine kleine, mit Ziegenfellen bedeckte Hütte errichtet. Von Kleidungsstücken besaß er nicht das Geringste mehr, ein einfaches Fell umgürtete seine Lenden.«

Wenn wir hier etwas länger bei diesem unfreiwilligen Einsiedler verweilten, so geschah es, weil er Daniel de Foe als Vorbild für seinen Robinson Crusoe diente, eine Erzählung, welche ja wohl alle Kinderherzen erfreut und gerührt hat.[530]

Wir wollen aber nicht haarklein alle Züge mittheilen, an denen Dampier theilnahm. Es genüge hier zu bemerken, daß er bei ruhiger Fahrt die Gollapagos-Inseln besuchte. Da er die meisten seiner Unternehmungen scheitern sah, begab sich Kapitän Sven, auf dessen Schiffe Dampier im Jahre 1686 diente, nach Ostindien, wo die Spanier weniger auf ihrer Hut waren und er bessere Aussichten zu haben glaubte. Unsere Abenteurer langten also in Guaham an, besaßen aber nur für drei Tage Lebensmittel. Die Matrosen waren im Falle einer noch längeren Dauer der Fahrt übereingekommen, nach und nach Alle aufzuzehren, die sich für diese Fahrt erklärt hatten, und mit dem Kapitän anzufangen, von dem der Vorschlag dazu ausgegangen war. Dampier sollte gleich nach diesem an die Reihe kommen. »So erklärt es sich, sagt er scherzend, daß Sven, nachdem sie bei Guaham vor Anker lagen, ihn umarmend mit den Worten anredete: »Ah, Dampier, Sie hätten auch eine schlechte Mahlzeit abgegeben!« Er hatte damit wohl recht, fügt er hinzu, denn ich war dürr und fleischarm, er aber dick und fett.« Mindamar, Manilla, einzelne Küstenstrecken von China, die Molukken Neu-Holland und die Nicobaren-Inseln, das waren die Punkte, welche Dampier bei dieser Fahrt besuchte und plünderte. Im letzteren Archipel trennte er sich von seinen Gefährten und kam halbtodt am Gestade von Sumatra an.

Bei dieser Fahrt entdeckte Dampier mehrere bisher unbekannte Inseln und vorzüglich die Baschi-Gruppe. Kaum wieder hergestellt, durchstreifte er als geborner Abenteurer das südliche Asien, Malakka, Tonkin, Madras und Bencoulen, wo er als Artillerist in englische Dienste trat. Fünf Monate später desertirte er und kehrte nach London zurück. Der Bericht seiner Abenteuer und seiner Kreuz- und Querzüge erwarb ihm in der höchsten Gesellschaft gewisse Sympathien und er wurde dem Lord der Admiralität, dem Grafen von Oxford, vorgestellt. Sehr bald übertrug man ihm das Commando über ein Schiff, den »Roebuck«, um auf eine Entdeckungsreise in den ihm schon bekannten Meeren auszuziehen. Am 14. Januar 1699 verließ er England und beabsichtigte, durch die Magellan-Straße oder um das Feuerland herum zu gehen, um nach denjenigen Gegenden des Pacifischen Oceans zu segeln, welche noch am seltensten besucht worden waren. Nach Passirung des Aequators am 10. März steuerte er nach Brasilien, wo er neuen Proviant einnahm. Jetzt gelang es ihm aber auf keine Weise, sich[531] längs der Küste Patagoniens zu halten, sondern er wurde durch anhaltendes stürmisches Wetter bis sechszehn Meilen südlich vom Cap der Guten Hoffnung verschlagen, von wo aus er einen Kurs nach Südsüdosten, in der Richtung nach Neu-Holland einschlug. Diese lange Ueberfahrt ging ohne Zwischenfall von statten. Am 1. August bekam Dampier Land in Sicht und suchte sofort einen Hafen, um daselbst vor Anker zu gehen. Fünf Tage später lief er in der Seehunds-Bai, an der Westküste Australiens an's Ufer, fand aber nur ein höchst unfruchtbares Land ohne Wasser und Pflanzenwuchs. Bis zum 31. August folgte er der Küste, ohne zu finden, was er suchte. Bei Gelegenheit einer Landung bestand er ein leichtes Scharmützel mit einigen Eingebornen, welche in dem Lande nur sehr dünn gesäet schienen. Ihr Häuptling war ein junger Mann von mittlerer Größe, doch von lebhaftem, gewandtem Wesen; um seine Augen zog sich ein einzelner weißer Streifen, und ein gleichfarbiger Strich reichte von der Stirn bis zur Nasenspitze herab; ebenso erschienen Brust und Arme zebraartig gestreift. Seine Begleiter hatten schwarze Haut, ein wildes Aussehen, krause Haare und eine hohe, wohlproportionirte Gestalt.

Während fünf langer Wochen, in denen er sich stets dicht bei dem Lande aufhielt, fand Dampier weder Wasser noch Lebensmittel, dennoch wollte er den Versuch nicht aufgeben und segelte wieder längs der Küste nach Norden hinauf. Zuletzt zwangen ihn doch die häufigen Untiefen und der beginnende Nordwest-Mousson, seine Absicht fallen zu lassen, nachdem er mehr als dreihundert Meilen von dem australischen Festlande entdeckt hatte. Nun begab er sich nach Timor, wo er auszuruhen und seine von der langen Fahrt erschöpfte Mannschaft sich erholen zu lassen gedachte. Hier kannte er aber die Meerverhältnisse zu wenig, und auch seine Karten erwiesen sich als viel zu mangelhaft. Er mußte sich also darauf einlassen, vorsichtig sein Fahrwasser zu untersuchen, als ob die Holländer sich hier nicht schon vor langer Zeit ansässig gemacht hätten. So entdeckte er z. B. zwischen Timor und Anamabar einen Sund an der Stelle, wo seine Karten nur eine Bai verzeichnet enthielten. Das Eintreffen Dampier's in einem Hafen, den sie klein kannten, verwunderte und beunruhigte die Holländer sehr ernsthaft. Sie glaubten, die Engländer hätten dazu nur durch Entwendung von Karten aus einem Schiffe ihrer Nation gelangen können. Zuletzt erholten sie sich doch von ihrem Schrecken und empfingen sie mit aller Freundlichkeit.[532]

Obwohl sich die Vorläufer des Mousson schon sehr fühlbar machten, stach Dampier dennoch wieder in See und steuerte nach der nördlichen Küste von Neu-Guinea, die er am 4. Februar 1700 nahe dem Cap Maho der Holländer erreichte. Unter den Dingen, die seine Verwunderung erregten, erwähnt Dampier einer ungeheuren Menge Tauben, vieler Fledermäuse von außergewöhnlicher Größe und der Petonceln, d. s. eine Art Kammmuscheln, deren leere Schale nicht weniger als zweihundertachtundfünfzig Pfund wog. Am 7. Februar näherte er sich der König-Wilhelms-Insel und wendete sich nun nach Osten, wo er sehr bald Schouten's Cap der Guten Hoffnung und die Insel, welche den Namen dieses Seemannes erhalten hat, in Sicht bekam. Am 24. war die Mannschaft Zeuge eines merkwürdigen Schauspiels: »Zwei Fische, welche das Schiff schon fünf bis sechs Tage begleiteten, nahmen eine große Seeschlange wahr und gingen sofort daran, diese zu verfolgen. Sie waren etwa von der Gestalt und Größe einer Seemakrele, doch gelblichgrün von Farbe. Die mit großer Schnelligkeit entfliehende Schlange hielt den Kopf immer über dem Wasser, während einer der Fische sich bemühte, sie am Schwanze zu fassen. Sobald sie sich umdrehte, blieb der erste Fisch zurück und der andere trat als Jäger an seine Stelle. So hielten sie jene, die sich fliehend immer zu vertheidigen suchte, lange Zeit in Athem, bis wir die Thiere aus dem Gesicht verloren.«

Am 25. gab Dampier einer bergigen, gegen zehn Meilen langen und ungefähr im Nordosten der Admiralitäts-Inseln gelegenen Insel den Namen St. Mathias. Sieben bis acht Meilen weiterhin entdeckte er noch eine andere, welche den Namen der Insel der Stürme erhielt wegen eines heftigen Wirbelwindes, der jede Landung an derselben vereitelte. Dampier glaubte, nahe der Küste Neu-Guineas zu sein, während er an der von Neu-Irland hinsegelte. Hier gedachte er zwar an's Land zu gehen, sah sich aber von vielen Piroguen mit über zweihundert Eingebornen umringt, während auch am Strande eine große Menge derselben versammelt war. Da er es für unklug hielt, ein Boot an's Land zu senden, ließ Dampier das Schiff wenden. Kaum war dieser Befehl gegeben, als dasselbe mit einem Hagel von Steinen überschüttet wurde, welche die Eingebornen mit einer Maschine schleuderten, deren Form er nicht zu erkennen vermochte; in Folge dieses Vorkommnisses gab er dem Orte den Namen der Bai der Schleuderer. Ein einziger Kanonenschuß aber setzte die Eingebornen in heillosen Schrecken und machte allen[533] Feindseligkeiten ein Ende. In einiger Entfernung von hier und nahe dem Gestade Neu-Irlands entdeckten die Engländer die Inseln Denis und St. Jean. Dampier segelte als der Erste durch die Meerenge, welche Neu-Irland von Neu-Britannien trennt, und sah dann die Inseln Vulkan, der Krone, G. Rook, Long-Rich und die Glühende Insel.

Nach diesem durch so wichtige Entdeckungen bezeichneten Kreuzzuge kehrte Dampier nach Westen um, segelte nach der Insel Missory und erreichte endlich Ceram, eine Insel der Molukken, wo er sich ziemlich lange aufhielt. Dann begab er sich nach Borneo, fuhr durch die Meerenge von Macassar und landete in Batavia auf der Insel Java am 23. Juli. Hier blieb er bis zum 27. October und schlug dann den Weg nach Europa ein. Als er am 23. Februar 1701 bei der Insel Ascension anlangte, hatte sein Schiff ein so großes Leck bekommen, daß man dieses nicht zu schließen vermochte. Man mußte das Fahrzeug auf den Strand setzen und Mannschaft und Ladung an's Land bringen. Glücklicher Weise fehlte es nicht an Wasser, auch gab es viel Schildkröten, Ziegen und Flußkrebse. Man durfte also wenigstens darüber ruhig sein, hier nicht Hungers zu sterben, bis ein Schiff an der Insel anlegen und die Schiffbrüchigen in die Heimat zurückführen würde. Dieser Augenblick ließ nicht lange auf sich warten, denn am 2. April nahm sie ein englisches Fahrzeug an Bord und brachte Alle nach England zurück. Bei Gelegenheit der Fahrten Wood Rodger's werden wir noch weitere Gelegenheit haben, von Dampier zu sprechen.

Quelle:
Jules Verne: Die Entdeckung der Erde. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band XXIX–XXX, Wien, Pest, Leipzig 1881, S. 527-534.
Lizenz:

Buchempfehlung

Naubert, Benedikte

Die Amtmannin von Hohenweiler

Die Amtmannin von Hohenweiler

Diese Blätter, welche ich unter den geheimen Papieren meiner Frau, Jukunde Haller, gefunden habe, lege ich der Welt vor Augen; nichts davon als die Ueberschriften der Kapitel ist mein Werk, das übrige alles ist aus der Feder meiner Schwiegermutter, der Himmel tröste sie, geflossen. – Wozu doch den Weibern die Kunst zu schreiben nutzen mag? Ihre Thorheiten und die Fehler ihrer Männer zu verewigen? – Ich bedaure meinen seligen Schwiegervater, er mag in guten Händen gewesen seyn! – Mir möchte meine Jukunde mit solchen Dingen kommen. Ein jeder nehme sich das Beste aus diesem Geschreibsel, so wie auch ich gethan habe.

270 Seiten, 13.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon