II.

[154] Entdeckung der Ostküste Australiens. – Bemerkungen über die Bewohner und die Erzeugnisse des Landes. – Strandung der »Endeavour«. – Fortdauernde Gefahren der Schiffahrt. – Durchsegelung der Torres-Straße. – Die Eingebornen von Neu-Guinea. – Rückkehr nach England.


Am 31. März 1770 verließ Cook Cap Farewell und Neuseeland, um nach Westen zu steuern. Am 19. April traf er ein Land, das sich unter 37°58' der Breite und 210°39' westlicher Länge von Nordosten nach Südwesten hin ausdehnte. Gestützt auf die Angaben der Tasman'schen Karten betrachtete er jenes als das Land, welches der genannte Seefahrer Van-Diemensland getauft hatte. Jedenfalls fand er keine Gelegenheit festzustellen, ob der vor ihm liegende Theil der Küste mit Tasmanien zusammenhing oder nicht. Auf der Fahrt nach Norden benannte er alle hervorragenderen Punkte, wie die Hicks-Spitze, Ramhead, Cap Howe, Dromedar-Berg, Upright-Spitze, Pigeon-House u.s.w.

Diese Gegend von Australien war bergig und mit zerstreuten Bäumen besetzt. Einzelne Rauchsäulen ließen zwar erkennen, daß das Strandgebiet bewohnt sei, aber die nur dünn gesäete Bevölkerung hatte nichts Eiligeres zu thun, als zu entfliehen, sobald die Engländer Anstalt trafen, an's Ufer zu gehen.[154]

Die ersten Eingebornen, deren man ansichtig wurde, waren mit langen Spießen und einem Stück Holz bewaffnet, das in der Form etwa einem türkischen Säbel gleichkam. Es war das der berüchtigte »Boomerang«, eine Wurfwaffe, die in den Händen der Eingebornen ebenso gefährlich, wie in denen der Europäer unschuldig ist. Das Gesicht dieser Wilden schien mit einem weißen Puder bedeckt, ihr Körper war mit breiten Streifen von derselben Farbe überzogen, welche, schräg über die Brust verlaufend, den Bandelieren der Soldaten ähnelten: auch hatten sie gleiche Streifen rings um den Ober- und Unterschenkel, die man aus einiger Entfernung hätte für Strumpfbänder halten können, wenn jene nicht vollständig nackt gegangen wären.

An einer anderen Stelle versuchten die Engländer ebenfalls an's Land zu gehen. Zwei Eingeborne aber, welche man durch Zuwerfen von Nägeln, Glaswaaren und anderen Kleinigkeiten erst zutraulicher zu machen sich bemühte, zeigten eine so drohende Haltung, daß man sich genöthigt sah, einen Schuß über ihre Köpfe weg abzugeben. Eine kurze Zeit standen sie ganz starr vor Schreck über den Knall; da sie sich aber nicht verwundet fühlten, begannen sie ihre feindseligen Demonstrationen auf's Neue, indem sie Steine und Wurfspieße nach dem Boote schleuderten. Nun richtete man einen scharfen Schuß nach den Beinen des älteren Wilden. Der arme Teufel entfloh auf der Stelle nach einer der Hütten, kehrte jedoch bald mit einem Schilde zurück und versuchte sich zwar nochmals zur Wehr zu stellen, mußte sich aber bald von der Ohnmacht seines Widerstandes überzeugen. Die Engländer gingen nun an's Land und nach den Wohnungen in der Nähe zu, wo sie eine Menge Lanzen vorfanden. In derselben Bucht landete auch eine andere Abtheilung mit den Wassertonnen; es erwies sich jedoch unmöglich, mit den Eingebornen in Verbindung zu treten, da diese sofort entflohen, sobald die Engländer sich dem Strande näherten.

Bei Gelegenheit eines Ausfluges auf dem Lande fanden Cook, Banks und Solander auch die Fußspuren verschiedener Thiere. Sehr schöne Vögel gab es in großer Menge. Die vielen Pflanzenspecies, welche die Naturforscher in dieser Gegend fanden, veranlaßten Cook, ihr den Namen Botany-Bai zu geben. Die ausgedehnte, sichere und bequeme Bai liegt unter 34° der Breite und 208°37' westlicher Länge. Holz und Wasser waren gleichfalls leicht zu erlangen.

»Die Bäume hier, sagt Cook, erreichen fast dieselbe Höhe wie die Eichen Englands, ja, ich sah auch einen, der ihnen sehr ähnlich sah. Es ist das derselbe, der ein rothes Gummi, ähnlich dem ›Drachenblut‹ ausschwitzt.«[155]

Jedenfalls ist hier von einer Eukalypten-Art die Rede. Unter den mancherlei Fischen, welche sich in großen Schaaren umhertummeln, ist besonders der Nagelroche hervorzuheben, von dem ein ausgeweidetes Exemplar noch dreihundertsechsunddreißig Pfund wog.

Am 6. Mai verließ Cook wieder die Botany-Bai und segelte längs der Küste nach Norden hin, wobei er sich stets in einer Entfernung von zwei bis drei Meilen hielt. Die Fahrt selbst verlief sehr einförmig. Einiges Interesse gewährten nur der häufige und unvorherzusehende Wechsel der Meerestiefen und die Klippenreihen, welche man vermeiden mußte.

Bei einer späteren Landung überzeugten sich die Reisenden, daß das Land weit schlechter war als in der Umgebung der Botany-Bai. Der Boden bestand nur aus Sand und die Hügelabhänge erschienen mit verstreuten oder ganz einzelstehenden Bäumen bedeckt, doch ohne jedes niedere Buschwerk. Die Matrosen erlegten auch eine junge Trappe, welche sie für das beste Stück Wild erklärten, das sie seit der Abreise aus England gegessen hätten. Aus diesem Grunde erhielt die Stelle den Namen Bustard-Bai. Hier fischte man ferner eine Menge Austern jeder Art, darunter vorzüglich kleine Perl-Austern.

Am 25. Mai befand sich die »Endeavour« eine Meile weit vom Lande, gerade gegenüber einer Spitze, welche genau unter dem Wendekreise des Steinbocks lag. Am nächsten Tage beobachtete man, daß die Fluth hier um sieben Fuß stieg und fiel. Die Fluthwelle verlief dabei nach Westen, während der Ebbe aber strömte das Wasser nach Osten, d. h. gerade entgegen der Bewegung an der Bustard-Bai. In der Nähe lagen auch viele Inseln, zwischen denen das Fahrwasser eng und ziemlich seicht war.

In der Hoffnung, eine bequeme Stelle zu finden, wo er Kiel und Rumpf seines Schiffes säubern lassen könnte, landete Cook mit Solander und Banks in einer geräumigen Bucht. Kaum an's Ufer getreten, sahen sie sich aber durch ein dichtes, bärtiges und mit scharfen Spitzen besetztes Gras – wahrscheinlich eine Art Spinifex – sehr am Gehen gehindert, da dessen Stacheln an der Kleidung hängen blieben, diese durchdrangen und die Haut empfindlich verletzten. Gleichzeitig fielen ganze Wolken von Marangouins (eine Art Mücken) und Mosquitos über sie her und belästigten sie durch schmerzhafte Stiche. Eine geeignete Stelle zur Vornahme der beabsichtigten Arbeiten fand sich zwar bald, nirgends aber ein Wasserplatz. Auf den nur einzeln vorhandenen Gummibäumen hingen ungeheure Nester von weißen Ameisen, welche mit Vorliebe an den Sprößlingen[156] derselben sitzen und sie bald ihres Milchsaftes berauben. Prächtig schillernde Schmetterlinge schaukeln sich in der Luft.

Das waren zwar lauter merkwürdige und interessante Beobachtungen, nur befriedigten sie auf keine Weise den Kapitän, der sich außer Stand sah, seinen Bedarf an Wasser zu decken. So gab sich hier gleich zu Anfange der hervorstechendste Zug der Neuen Welt kund, der es an Quellen, Flüssen und Strömen bekanntlich auffallend fehlt.

Auch ein zweiter, am Abend desselben Tages unternommener Versuch hatte kein besseres Resultat. Cook überzeugte sich jedoch, daß die Bai sehr tief war, und beschloß, sie am folgenden Tage in ihrem ganzen Umfange zu besichtigen. Er fand dabei, daß die Breite derselben hinter dem Eingange wesentlich zunahm und sie zuletzt einen ausgedehnten Binnensee bildete, der nach Nordwesten zu wieder mit dem Meere in Verbindung stand. Ein anderer Arm verlief nach Osten, und man durfte wohl annehmen, daß auch dieser See im Grunde der Bai eine andere Verbindung mit dem Meere haben werde. Dieser Theil Australiens erhielt den Namen Neu-Süd-Galles. Unfruchtbar, sandig und trocken, fehlte ihm Alles, was zur Begründung einer Kolonie unumgänglich nothwendig ist. Diese oberflächliche Besichtigung, welche sich meist nur auf die hydrographischen Verhältnisse der Umgebung bezog, konnte die Engländer natürlich nicht auf die Vermuthung bringen, daß hier die reichsten mineralischen Schätze der Erde verborgen lagen.

Vom 31. Mai bis 10. Juni ging die Fahrt in gleich eintöniger Weise von statten. An letzterem Tage sah sich die »Endeavour«, welche an dieser Küste, mitten durch Klippen und Untiefen, eine Strecke von zweiundzwanzig Graden, d. h. gegen 1300 Meilen ohne jeden Unfall zurückgelegt hatte, plötzlich der schlimmsten Gefahr, die man sich nur denken kann, ausgesetzt.

Man segelte eben unter dem 16. Grade der Breite und unter 214°39' westlicher Länge, als Cook, der zwei niedrige waldbedeckte Inseln gerade vor sich sah, den Befehl gab, sich während der Nacht auf offener See zu halten, um die in dieser Gegend von Quiros entdeckten Inseln aufzusuchen, einen Archipel, den einige Geographen fälschlich als zu einem großen Lande gehörig bezeichnet haben. Von neun Uhr Abends ab zeigte die Sonde von Viertelstunde zu Viertelstunde eine stetig abnehmende Tiefe. Alle Welt verweilte auf dem Deck und der Anker war schon in Bereitschaft, als die Wassertiefe plötzlich wieder bedeutend zunahm. Man schloß daraus, daß das Schiff nun die letzten bei Sonnenaufgang[157] beobachteten Sandbänke passirt habe, und freute sich, daß diese Gefahr überstanden sei. Da die Tiefe immer noch weiter zunahm, begaben sich Cook und seine Officiere, welche keine Wache hatten, ruhig in ihre Cabinen.

Um elf Uhr Nachts aber zeigte die Sonde, welche eben erst fünfundzwanzig Faden Wasser gemeldet hatte, plötzlich nur siebenzehn, und noch ehe man dazu kam, sie nochmals auszuwerfen, streifte die »Endeavour« schon den Meeresgrund und stieß, von den Wogen gepeitscht, mit dem Hintertheil auf die Spitze eines Felsens.

Die Lage war eine ziemlich ernste. Von einem Wellenberge über den Rand einer Klippe gehoben, war die »Endeavour« nun in eine Aushöhlung derselben gesunken. Schon bei Mondschein sah man um das Schiff einen Theil des falschen Kiels und einige Planken der zweiten Umkleidung umhertreiben.

Zum Unglück war die Strandung während der Hochfluth erfolgt. Ohne Zeit zu verlieren, warf man sechs Geschütze, Fässer, Tonnen, den eisernen Ballast und Alles über Bord, was nur geeignet wär, das auf dem Felsen tanzende Schiff zu erleichtern. Die Schaluppe wurde in's Wasser gesetzt, Raaen und Stengen abgenommen, das Sorrtau des Fährbootes über Steuerbord ausgelegt und der Teyanker an derselben Seite hinabgelassen, da man bemerkte, daß das Wasser hinter dem Achter mehr Tiefe hatte. So kräftig man sich aber auch am Gangspill abmühte, es gelang doch nicht, das Schiff wieder flott zu machen.

Der anbrechende Tag zeigte das ganze Entsetzliche der Lage. Vom Lande lag das Fahrzeug über acht Meilen entfernt; dazwischen keine Insel, auf der man hätte Zuflucht suchen können, wenn das Schiff, wie zu erwarten war, in Stücke gehen sollte. Obwohl man eine Last von über fünfzig Tonnen entfernt hatte, hob es sich bei der Fluth doch nur um anderthalb Fuß. Glücklicher Weise ließ der Wind nach, ohne welchen Umstand die »Endeavour« gewiß bald nur noch ein Wrack gewesen wäre. Das in den Raum eindringende Wasser stieg jedoch immer mehr, obwohl zwei Pumpen mit dessen Beseitigung beschäftigt waren, so daß man noch eine dritte benutzen mußte.

Schlimme Aussicht! Wurde das Schiff flott, so lag die Befürchtung nahe, daß es sinken würde, sobald es von dem Felsen nicht mehr gehalten wurde; blieb es fest sitzen, so zerstörten es ohne Zweifel die Wellen in kurzer Zeit. Die Boote alle aber reichten nicht hin, die ganze Besatzung auf einmal an's Land zu schaffen. Hätte man nicht erwarten sollen, daß sich die Disciplin unter solchen Verhältnissen lockerte? Wer konnte dafür einstehen, daß eintretende[158] Streitigkeiten das Unglück nicht noch vermehren würden? Und wenn ein Theil der Matrosen das Land erreichte, welches Schicksal stand ihnen bevor auf diesem ungastlichen Strande, wo sie sich kaum mit Netzen und Feuerwaffen hätten den nothdürftigsten Unterhalt verschaffen können? Was sollte endlich aus Denen wer den, die auf dem Schiffe zurückblieben? Wohl mochten sich Alle mit diesen Gedanken tragen. Das Gefühl der Pflicht war aber so stark, und der Einfluß eines Führers, der sich bei seiner ganzen Mannschaft beliebt zu machen gewußt hatte, so weitreichend, daß solche Befürchtungen sich auch nicht durch einen Schrei, nicht durch die geringste Unordnung verriethen.

Die Kräfte der an den Pumpen nicht beschäftigten Leute wurden vorsichtig aufgespart bis zu der Zeit, wo sich das Los Aller entscheiden würde. Man traf dabei so geschickte Anordnungen, daß alle Mann am Gangspill angriffen, als die Fluth den höchsten Stand erreicht hatte, und – es gelang das Schiff flott zu machen – während man mit großer Freude bemerkte, daß es auch ohne die Unterstützung des Felsens nicht mehr Wasser schluckte als vorher.

Die seit vierundzwanzig Stunden in Todesangst schwebenden Matrosen waren aber nun am Ende ihrer Kräfte. Alle fünf Minuten mußten die Leute an den Pumpen wechseln, da sie erschöpft zusammenbrachen.

Da sollte eine neue Hiobspost die Entmuthigung noch weiter steigern. Der mit der Messung des Wassers beauftragte Mann meldete, daß dasselbe in kurzer Zeit um achtzehn Zoll zugenommen habe. Zum Glück überzeugte man sich sehr bald, daß er nur falsch gemessen hatte, worüber sich die Mannschaft so freute, als ob schon jede Gefahr vorüber wäre.


Känguruhs.
Känguruhs.

Da kam ein Officier, Namens Monkhouse, auf einen vortrefflichen Gedanken. Er ließ an der Seite des Fahrzeuges ein gereeftes Beisegel hinab, das man mit Kabelgarn, Wolle und Excrementen der an Bord befindlichen Thiere vollgestopft hatte. Auf diese Weise gelang es, den Leck größtentheils auszufüllen. Augenblicklich dachten die Leute, welche vorher die einzige Rettung darin sahen, das Schiff auf den Strand zu setzen und aus seinen Trümmern ein anderes Fahrzeug herzustellen, das sie nach Ostindien bringen könnte, nur noch daran, einen irgend brauchbaren Hafen zu finden, um jenes frisch zu verkleiden.

Den ersehnten Hafen entdeckten sie wirklich am 17. Juni an der Mündung eines Wasserlaufes, den Cook den »Endeavour-Fluß« nannte.

Die nothwendigen Arbeiten zur Ausbesserung des Schiffes wurden ohne Zögern in Angriff genommen und so sehr als möglich beschleunigt. Die Kranken[159] brachte man an's Land und der Stab begab sich wiederholt ebendahin, um für die Scorbutkranken etwas frisches Fleisch zu erlangen. Tupia bemerkte ein Thier, das Banks, seiner Beschreibung nach, für einen Wolf gehalten zu haben scheint. Mehrere Tage später erlegte man jedoch einige andere, welche mittelst der beiden Hinterfüße sprangen und wahrhaft erstaunliche Sätze machten. Das waren Känguruhs, große Säugethiere, die sich nur in Australien fanden und die bis jetzt noch kein Europäer erblickt hatte. Die Wilden zeigten sich hier weniger scheu als an jedem andern Orte. Man konnte sich denselben nicht allein nähern, sondern sie verweilten auch, von den Engländern freilich stets freundlich behandelt, mehrere Tage unter diesen.


Die Flotte von Otuhiti versammelt sich vor Oparée. [Facsimile. Alter Kupferstich.]
Die Flotte von Otuhiti versammelt sich vor Oparée. [Facsimile. Alter Kupferstich.]

»Sie waren im Allgemeinen, sagt der Bericht, von gewöhnlicher Größe, hatten dabei aber auffallend kleine Gliedmaßen; ihre Hautfarbe war ziemlich nußbraun oder ähnlich der dunkleren Chocolade; die nicht wolligen schwarzen Haare trugen sie ziemlich kurz geschnitten, die Einen glatt, die Anderen in Locken... einzelne Theile des Körpers hatten sie roth bemalt, und Einer hatte um die Oberlippe und auf der Brust weiße Streifen, welche sie ›Carbanda‹ nannten. Ihre Gesichtszüge waren keineswegs unangenehm; sie hatten lebhafte Augen, sehr weiße, gleichförmige Zähne und eine sanfte, melodische Stimme.«

Mehrere trugen einen eigenthümlichen Schmuck, von dem Cook ein Beispiel bisher nur in Seeland zu Gesicht bekam, nämlich einen Vogel in Fingergröße, der durch die Nasenscheidewand gesteckt war.

Bald darauf entstand eine Streitigkeit wegen Schildkröten, welche die Mannschaft gefangen hatte und von denen die Eingebornen ihren Theil beanspruchten, obgleich sie bei dem Fange gar nicht betheiligt gewesen waren. Da man ihrem Wunsche nicht nachkam, zogen sie sich zurück und setzten das dürre Gras in Brand, in dem sich der Lagerplatz der Engländer befand. Diese verloren alle vorräthigen Lebensmittel, genossen aber, da das Feuer sich weiter verbreitete und auch die Bäume der benachbarten Hügel ergriff, die ganze Nacht hindurch ein wirklich großartiges Schauspiel.

Die Herren Banks und Solander führten inzwischen einen recht glücklichen Jagdzug aus; sie erlegten Känguruhs, Opossums (das sind virginische Beutelthiere), eine Art Puter, Wölfe, mehrere Arten Schlangen, darunter auch einige giftige; gleichzeitig beobachteten sie große Schaaren von Vögeln, wie Hühnergeier, Falken, Cacadus, Goldammern, Papageien, Tauben und manche andere unbekannte Arten.

Als er aus dem Endeavour-Flusse herauskam, konnte sich Cook hinlänglich von der Schwierigkeit der Schifffahrt in diesen Gewässern überzeugen. Auf allen Seiten drohten hier Klippen und Untiefen. Am Abend mußte man sich entschließen, vor Anker zu gehen, da es unmöglich schien, während der Nacht durch dieses Labyrinth von Rissen weiter zu segeln. Ganz draußen, am Horizont, schien das Meer mit großer Heftigkeit über eine solche Felsenkette zu branden, welche man also für die letzte ansehen durfte. Als Cook nach fünf langen Tagen unter fortwährendem Kampfe gegen widrige Winde dahin kam, entdeckte[162] er drei Inseln, welche gegen vier bis fünf Meilen weiter im Norden lagen. Seine Prüfungen sollten jedoch noch nicht zu Ende sein. Noch immer umringten das Fahrzeug niedrige und dicht bei einanderliegende Eilande, zwischen welche man sich kaum hineinwagen durfte. Cook fragte sich auch, ob es nicht gerathener sein möge, zurückzukehren und eine andere Fahrstraße aufzusuchen. Die durch einen solchen Umweg verursachte Verzögerung hätte ihn aber gewiß am rechtzeitigen Eintreffen in Indien gehindert. Gegen ein derartiges Project sprach auch noch ein anderes, unumgängliches Hinderniß: das Schiff besaß jetzt Proviant nur noch für drei Monate.

In dieser verzweifelten Lage beschloß Cook nun, sich so weit als möglich von der Küste zu entfernen und die äußere Klippe zu umschiffen. Bald fand er auch einen Kanal, der ihn in kurzer Zeit in das offene Meer führte.

Natürlich jubelten Alle aus Herzenslust über diesen glücklichen Wechsel ihrer Lage, sagt Kippis. Ihre hohe Befriedigung sprach sich in dem ganzen Auftreten der Engländer aus, die seit fast drei Monaten unaufhörlich mit dem Tode bedroht gewesen waren.

In jener Nacht, wo sie vor Anker lagen, hörten sie das wüthende Meer sich an den Felsen brechen und wußten, daß sie verloren waren, wenn das Ankertau riß. Dreihundertsechzig Meilen hatten sie zurückgelegt, während stets ein Mann allein damit beschäftigt blieb, die Sonde auszuwerfen und die Risse zu untersuchen, durch welche sie segelten, wofür man von keinem anderen Schiffe ein ähnliches Beispiel kennt.

Auch wenn ihnen eine so schlimme Gefahr nicht wieder drohte, hatten die Engländer noch genug Ursache, besorgt zu sein, wenn sie die lange Reise bedachten, die sie noch durch wenig bekannte Meere und auf einem Schiffe, das jede Stunde neun Zoll Wasser einsog, mit Pumpen in schlechtem Zustand und zu Ende gehenden Provisionen, vollenden sollten.

Uebrigens entgingen die Seefahrer jener schrecklichen Gefahr nur, um am 16. August von einer fast ebenso großen überrascht zu werden. Von der Fluth nach einer Klippenreihe gezogen, über welche das Meer sehr hoch emporschäumte, außer Stande, einen Anker auszuwerfen, und bei vollständiger Windstille blieb ihnen nur das eine Hilfsmittel übrig, die Boote auf das Meer zu setzen und das Schiff durch Rudern zu schleppen. Trotz aller Anstrengung der Matrosen schwebte die »Endeavour« nur noch hundert Schritte vor dem Risse, als sich eine so leichte Brise, daß man sie unter anderen Umständen gewiß gar nicht[163] bemerkt hätte, erhob und es ermöglichte, das Schiff abzutreiben. Schon zehn Minuten später legte sie sich indeß wieder und noch einmal wurde die »Endeavour« bis zweihundert Schritt vor die Brandung gezogen. Nach mehreren ebenso fruchtlosen Versachen entdeckte man zum Glück eine enge Oeffnung zwischen den Rissen.

»Die Gefahr, welche diese bot, erschien uns weniger grausam, als hier in so schrecklicher Lage noch länger auszuharren, heißt es in dem Berichte. Ein glücklicher Weise wehender leichter Wind, die Ruder der Boote und die Fluth brachten das Schiff bald vor jene Oeffnung, durch welche es mit gewaltiger Schnelligkeit hindurchsegelte. Die Macht der Strömung schützte die ›Endeavour‹ davor, nach einer Seite des Kanals abzuweichen, der übrigens bei nur einer Meile Breite einen sehr sandigen Grund und wechselnde Tiefe zeigte, welche zwischen dreißig und sieben Faden schwankte.«

Wenn wir bei den Zufälligkeiten dieser Reise etwas länger verweilten, so geschah es, weil sie in bisher unerforschten Meeren und mitten durch Klippen und Strömungen vor sich ging, welche noch gefährlich genug für den Seefahrer sind, jetzt, wo man genaue Karten über dieselben besitzt, es aber noch mehr sein mußten, wenn man, wie Cook es von der Küste Neuseelands aus that, mitten durch unbekannte Hindernisse vordringt, zu deren Vermeidung die Sicherheit des Blickes und der Instinct des Seemannes nicht immer ausreichen.

Noch harrte eine letzte Frage ihrer Lösung. Bildeten Neu-Holland und Neu-Guinea nur ein einziges Land? Sind sie durch einen Meeresarm oder eine enge Wasserstraße von einander getrennt?

Cook näherte sich also dem Lande trotz der hier unausbleiblichen Gefahren und folgte der Küste Australiens gegen Norden. Am 21. August umschiffte er die Spitze von Neu-Holland, der er den Namen Cap York gab, und drang in einen Kanal mit vielen Inseln in der Nähe des großen Landes ein, woraus er die Hoffnung schöpfte, endlich eine Durchfahrt nach dem indischen Meere gefunden zu haben. Darauf landete er noch einmal, hißte die englische Flagge, nahm feierlich für König Georg III. von der ganzen Ostküste, vom 38. bis zum 10. Grade südlicher Breite Besitz, gab dem Lande den Namen Neu-Süd-Galles und ließ, um die Ceremonie würdig zu beschließen, drei Kanonensalven abgeben.

Jetzt drang Cook in die Torres-Straße ein, die er den »Endeavour-Sund« nannte, entdeckte und taufte die am südwestlichen Eingange derselben gelegenen Wallis-Inseln, die Insel Booby, die Prinz von Galles-Gruppe und steuerte[164] nun nach der Südküste von Neu-Guinea, der er, ohne einmal landen zu können, bis zum 3. September folgte.

An diesem Tage ging Cook mit elf bewaffneten Personen, darunter Solander, Banks und seine Diener, an's Ufer. Kaum hatten sie sich eine Viertelmeile vom Schiffe entfernt, als drei Indianer mit großem Geschrei aus dem Walde hervor- und auf sie zustürzten.

»Der uns zunächst Befindliche, sagt der Bericht, schwang irgend etwas mit der Hand, das er vorher an der Seite hängen hatte und das wie Kanonenpulver brannte, doch hörten wir kein Geräusch dabei.«

Cook und seine Begleiter sahen sich genöthigt, auf die Eingebornen zu feuern, um das Boot wieder erreichen zu können, von dem aus sie jene mit Bequemlichkeit betrachten konnten. Sie glichen vollkommen den Australiern, trugen wie sie die Haare kurz und gingen ganz nackt; nur schien ihre Haut etwas weniger dunkel, wahrscheinlich weil sie nicht so schmutzig war.

»Inzwischen brannten die Eingebornen ihr Feuer in wechselnden Zwischenräumen wohl vier- bis fünfmal ab. Wir haben nicht die geringste Vorstellung davon, woraus jenes bestand und was sie damit beabsichtigten; sie hielten einen kurzen Stab in der Hand, vielleicht ein hohles Rohr, den sie von einer Seite zur anderen bewegten; und bald sahen wir dann Rauch und Flammen, ganz wie bei einem Gewehrschüsse und ebenso von kurzer Dauer. Auch vom Schiffe aus bemerkte man diese auffallende Erscheinung, und war dabei die Täuschung so groß, daß die Leute an Bord die Indianer im Besitze von Feuerwaffen glaubten; auch wir selbst hätten nicht daran gezweifelt, daß sie auf uns schössen, wenn unser Boot dabei nicht so nahe gewesen wäre, daß wir den Knall der Explosion unbedingt hätten hören müssen.«

Trotz der vielen Erklärungsversuche, zu denen diese Thatsache Veranlassung gab, blieb sie doch unaufgeklärt, und nur das Zeugniß eines so wahrheitliebenden Seefahrers läßt sie uns glaublich erscheinen.

Mehrere englische Officiere verlangten sofort an's Land zu gehen, um Cocosnüsse und andere Früchte zu holen, der Commandant wollte aber das Leben seiner Matrosen nicht um einer so läppischen Genugthuung willen auf's Spiel setzen. Uebrigens drängte es ihn auch, Batavia zu erreichen, um sein Schiff gründlich ausbessern zu können. Endlich hielt er es für unnütz, noch länger in diesen, von den Spaniern und Holländern schon so oft besuchten Gegenden zu verweilen, wo er voraussichtlich keinerlei neue Entdeckungen zu machen vermochte.[165]

Nur beiläufig berichtigte er die Angaben der Lage der Inseln Arrow und Veasel, segelte dann nach Timor und rastete ein wenig bei Savu, wo sich die Holländer vor kurzer Zeit festgesetzt hatten. Hier verproviantirte sich Cook wieder frisch und bestimmte mittelst einer sehr sorgfältigen Beobachtung seine Position zu 10°35' der Breite und 237°30' westlicher Länge.

Nach kurzem Aufenthalte gelangte die »Endeavour« nun nach Batavia, wo sie wiederum möglichst gut in Stand gesetzt wurde. Nach so vielen glücklich überstandenen Gefahren sollte jedoch diese Rast in einem ungesunden Lande mit endemischen Fiebern der ganzen Reisegesellschaft sehr verderblich werden. Banks, Solander, Cook und die meisten Matrosen erkrankten; mehrere starben auch, darunter leider der Schiffsarzt Monkhouse, sowie Tupia und der kleine Tayeto. Nur zehn Mann blieben vom Fieber wirklich verschont. Am 27. December stach die »Endeavour« wieder in See und legte am 5. Januar 1772 bei der Prinzeninsel an, um Lebensmittel einzunehmen.

Die Krankheiten, welche unter der Mannschaft herrschten, nahmen nun einen noch ernsteren Charakter an. Dreiundzwanzig Personen erlagen denselben, unter ihnen auch der Astronom Green.

Nachdem er am Cap der Guten Hoffnung gehalten, wo er nach allen Seiten einen ausgezeichneten Empfang fand, ging Cook wieder in See, berührte St. Helena und warf am 11. Juni, nach einer Abwesenheit von nahezu vier Jahren, wieder vor Dunes Anker.

So endete Cook's erste Reise, » bei welcher er, sagt Kippis, so viele Gefahren überwand, so viele Länder entdeckte und häufig genug den Beweis lieferte, daß er eine hervorragende Befähigung besaß, so gefahrvolle Unternehmungen und aufreibende Anstrengungen durchzuführen und auszuhalten!«[166]

Quelle:
Jules Verne: Die großen Seefahrer des 18. Jahrhunderts. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band XXXIII–XXXIV, Wien, Pest, Leipzig 1881, S. 154-167.
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