Nr. 12. Lied.

[29] RUND mit Salbung.

1. Gedenk, o Mensch, du bist aus Staub,

Dein Leib wird einst der Würmer Raub,

Das Kind, der Jüngling und der Greis

Muß nolens volens auf die Reis';

Das modernde Gebein

Bedeckt der Leichenstein.


Er trinkt.


Dialog.


JOSEPH springt auf. Luft! Luft! Eilt zum Tisch und verschlingt gierig den Schinken, setzt sich dann nieder und beginnt zu schlafen.

LUX der es sieht, eilt herbei. Um des Himmels willen was ist das?

RUND. Lassen Sie ihn nur austoben; sehen Sie, er wird schon sanfter.

LUX. Ich will den Ausgang abwarten. Ab.

RUND.

2. O Mensch, der Schöpfung Meisterstück,

Wirf in die Zukunft einen Blick.

Die Seele krönt Unsterblichkeit,

Sie wandert in die Ewigkeit.

Und schwingt sich freudenvoll

Hinauf zum Sternenpol.


Er trinkt.


Dialog.


LUX schleicht herein. Er scheint zu schlafen.

RUND. Vermuthlich der Todesschlaf. Requiescat!

ADAM tritt ein. Alles ist geschehen!

LUX St! St! Hält ihm den Finger auf den Mund. Adam, komm' Er her! Sehe Er einmal, so sieht ein Mensch aus, wenn er die Welt verläßt.[29]

ADAM mit offnem Munde. Der Tod sieht ihm aus den Augen.

JOSEPH wie aus einem Traum erwachend. Wo bin ich? Leb' ich? Aller Schmerz von mir gewichen, – ich bin munter – jugendlich – stark – ach, wie leicht athme ich.

LUX. Welch' ein Wunder?

RUND. Das begreife ich nicht. Herr Lux, haben Sie ihm Arznei gegeben?

LUX. Nicht einen Tropfen.

RUND. Tausend! Jetzt fällt mir ein. – Haben Sie nicht gesehen, wie hastig er den Schinken verschlungen hat?

LUX. War das Schinken? O jetzt weiß ich Alles! O göttliches Arcanum! Ich bin außer mir vor Freuden über diese Entdeckung! – Schinken wider Gift!

JOSEPH. Wo ist denn meine Braut? Kommen Sie geliebtes Suschen.

Suschen geht zu Joseph und umarmt ihn.


LUX. Sachte, Herr Joseph! Die Hitze könnte Ihnen schaden! Jetzt geht es aus einem andern Tone! Aus der Heirath wird nichts.

JOSEPH. Da der Himmel durch seinen Diener Lux an mir seine Güte übte, so kann ich nicht undankbar sein und eine Verbindung trennen, die ich als ein heiliges Gelübde betrachte.

LUX. Wie wäre das? Zum Wetter Herr Rund!

RUND. Vermeiden Sie das Aufsehen, Herr Lux. Sie wissen den weisen Spruch: Was der Himmel zusammenfügt. sollen die Menschen nicht trennen.

LUX. Ich war ein Dummkopf! Höll' und Teufel!

RUND. Darinnen liegt eben das Wunderbere! Ehen werden im Himmel geschlossen! Sie, Herr Lux, als der größte Kenner der Natur, als ein außerordentliches Genie, sind vom Schicksal zu höhern Arbeiten bestimmt. Sie sollen nur für die Menschheit arbeiten.[30]

LUX. Sie öffnen mir die Augen. Ich will mich dem Vaterlande aufopfern. Fieber! – Gift! –

RUND. Vielleicht auch Pest!

LUX. Wenn nur jetzt gleich Pest wäre! Schinken, die Wunderarznei wider Fieber, Gift und Pest. – Du verewigst meinen Namen! Küsset, Freunde, dieses Buch, in welchem ich für die Nachwelt den Stein der Weisen aufbewahre! Reicht Das Buch einem Jeden zum Kusse – Rund zuerst.

Quelle:
Johann Baptist Schenk: Der Dorfbarbier, von Joseph Weidmann, Leipzig [o. J.], S. 29-31.
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