11. Er ist fromm, aber wenn er schläfft

[69] 1.

Als ich meiner Rosilis

Neulich an die Schürtze grieffe,

Sagte sie mir gar gewiß,

Ich wär fromm, doch wann ich schlieffe;

Sonsten wär ich in der Haut

Ein rechtschaffen böses Kraut.


2.

Ja mein Liebgen fieng ich an,

Ich gesteh es, wenn ich wache,

Daß ich es nicht lassen kan:

Doch es ist so eine Sache,

Stelle deine Schönheit ein,

So will ich nicht lose seyn.


3.

Uber dieses bin ich doch

In dem Schlafe fromm und stille,

Drum, mein Engel, ist es noch

Dein und mein beliebter Wille,

Suchst du die Gewogenheit

Bloß in meiner Frömmigkeit.


4.

Ey so schlaff einmal bey mir:

Sonsten muß ich es gestehen,

Daß ich keinmal kan zu dir

Fromm und eingezogen gehen:

Soll ich fromm seyn, meine Zier,

Ey so schlaf einmal bey mir.

Quelle:
Christian Weise: Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken, Halle a.d.S. 1914, S. 69-70.
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