1. Er ist ein Narr

[143] 1.

Ihr Leute, gebt mirs doch geschrieben,

Daß ich ein Ertz-Fantaste bin,

Und solte mir es nicht belieben,

So bringt mich mit Gewalt dahin,

Daß ich die Thorheit zum Beschluß

Vor aller Welt bekennen muß.


2.

Ich höre nichts mit meinen Ohren,

Ich bin mit sehnden Augen blind,

Der Mund hat allen Schmack verlohren,

Die Fäuste sind nicht, wo sie sind,

Die Nase reucht, und hat gleichwol

Den Schnuppen, wann sie riechen soll.


3.

Dem Scheddel fehlt ein grosser Sparren,

Das Haupt ist wie ein Tauben-Haus

Da fliegen mir die jungen Narren

Bald fornen ein, bald hinten naus;

Doch auff den Abend ziehn sie hier

Zusammen wieder ins Quartier.


4.

Wolt ihr kein Cläußgen bauen lassen[143]

Darein ich mich versperren kan,

So hetzt die Kinder auff der Strassen

Mit Hund und Katzen auff mich an,

Und legt mir alle Nahmen zu,

Biß ich nicht mehr so närrisch thu.


5.

Verbremt mir nur den Kopf mit Schellen,

Und setzt mir einen Fuchsschwantz auff,

Wollt ihr mir einen Hut bestellen,

So flickt mir auch ein Kühorn drauff,

Und gebt mir an des Sebels statt

Ein Holtz das keine Scheide hat.


6.

Besetzt mein Kleid mit bunten Flecken,

Und macht mirs Band von Bohnenstroh,

Und schreibt mir an auff allen Ecken,

Diß ist ein Narr in Folio;

Wofern ich bey dem Narren-Spiel

Nicht zum Erkäntniß kommen will.


7.

Doch nein, ich wil nun anders werden,

Ich mag kein Pickelhäring seyn

Ich stelle mich nur an Geberden,

Bißweilen närrisch auff den Schein;

Drum Lieber, was verlacht ihr mich?

Ein jeder ist ein Narr vor sich.

Quelle:
Christian Weise: Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken, Halle a.d.S. 1914, S. 143-144.
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