Fünffter Auffzug.

[83] Die mittelste Scene öffnet sich. Mierten, der Bauer. Stax, Micke, Trabanten. Die Vorigen.


KARSTEN. Ha ha ha / stellet sich der vornehme Gast doch eher ein / als wir vermeinet hatten.

MIERTEN. Ja wo mich iemand zu Ehren gebraucht da komm ich nicht langsam.

STAX. Wir habens Ihre Gnaden versprochen / daß wir derselben auffwarten wollen.

MICKE. Und wir habens auch versprochen / daß wir einander ein bißgen im Trincken examiniren wollen.

MIERTEN. Es ist alles beydes gut. Aber hört / last mich nur mit dem Weine zufrieden / Bier will ich gerne Bescheid thun / so lange ihr wollt.

STAX. Was E. Fürstl. Gnaden befehlen / darnach wollen wir uns richten.

MICKE. Auff Euer Gnaden Anordnung / mach ich einen Possen und sauffe Wasser.

MIERTEN. Nein nein / fürchtet euch nicht / in meinem Fürstenthum wird kein Wasser gesoffen.

KARSTEN. Nun es ist Schande / daß wir so lange stehn / Ihr Fürstl. Gnaden wollen sich setzen.

MIERTEN. Ja ja / vom sitzen hat man so viel / als vom stehn / setzet euch neben mich / heute will ich einmahl meines Fürstenthums vergessen / und will mit euch rum sauffen wie der beste Bruder.

KARSTEN. Ihr Gnaden brauchen ihre Lust / wir wollen doch gedencken / daß ein Fürst in der Compagnie ist.


Boyson bringt zu trincken.[83]


MIERTEN. Nu das ist das erste / ein Gantzes auff Gesundheit des Vornehmsten.

STAX. Ich bedancke mich vor die Gnade / ich will Bescheid thun.

MIERTEN. Schenckts auch recht voll ein / einem wie den andern / gleiche Narren / gleiche Kappen.

KARSTEN. Bruder Micke, Vivat unser Fürste.

MIERTEN. Was / bin ich ein Gigack?

MICKE. Nein nein / der Herr ist Vivat.

MIERTEN. Was ist das vor ein Ding Vivat?

MICKE. Es ist ein stattlich Wort / das muß man sprechen / wenn eines Fürsten Gesundheit getruncken wird. Gigack der Fürste.

KARSTEN. Ihr Gnaden darff ich vorkommen?

BREIT. Ihr Gnaden ein Gantzes.

MIERTEN. Nicht zugfach / nicht zugfach / sonst werd ich zum Schaffhäuser. Meine Fürstl. Gnade euch allen beyden.

STAX UND MICKE zusammen. Ey Ihr Gnaden haben schönen Danck / wir sind gehorsame Diener.

MIERTEN. Nu nu gebt euch zu frieden / ich habs ausgetruncken / macht es auch so.

KARSTEN. Du loser Kerle schenck doch voll ein / gieb mir einen Becher her / da will ich mit zuflicken / wenn was ausgelassen wird.


Hier sind gewisse Vexier-Becher / mit doppelten Boden / die vor den Spectatoribus voll eingeschenckt / und hernach als ledige umgestürtzt werden / damit kan der Bauer sich stellen / als wenn er ein Schock Becher aussöffe / die Spectatores müssen sich verwundern / wie er alles bezwingen kan.


MICKE. Ihr Gnaden / darff ich wieder zurücke kommen.

MIERTEN. O ja in meinem Lande heissen sie das qviren.

MICKE. Ihr Fürstliche Durchlauchtigkeit haben mir befohlen / daß ich eine vornehme Gesundheit anfangen soll.

MIERTEN. Ie nu ich will deßwegen nicht zum unredlichen[84] Manne werden / sie muß freylich getruncken werden; Aber was ists vor eine Gesundheit?

MICKE. Es ist die Gesundheit auff Carle morle Puff.

MIERTEN. Carle morle Puff / das mag ein vornehmer Herr seyn / er hat gewiß ein grösser Fürstenthum als ich.

MICKE. Aber sie muß auff den Knien getruncken werden.

MIERTEN. O ich knie mit nieder.

MICKE. Es ist nicht genung daß man kniet / es ist eine Kunst darbey.

MIERTEN. Wer weiß kan ich die Kunst nicht auch.

MICKE. Es stehet zu versuchen / aber wers nicht recht macht muß den Becher noch einmahl aussauffen.

MIERTEN. So will ich wohl mit Fleisse fehlen / daß ich prave sauffen mag.

MICKE. Nach eines iedweden Belieben. Ihr Gnaden sehen auff mich / wie ichs mache / so machen sie es nach. In Gesundheit Carle Er kniet mit dem rechten Knie. Morle Er kniet mit dem lincken Knie. Puff Er kniet mit allen beyden Knien. Ihr Gnaden es ist aus sie machen es nach / wo sie fehlen / müssen sie den Becher noch einmahl austrincken.

MIERTEN. Nu laß sehn / ich will kein Ferckel machen / Herr Wirth / Herr Wohlthäter in Gesundheit Carle morle Puff. Er kniet nieder und säuffts gantz aus.

MICKE. Ey das war nichts / es muß auff dreymahl ausgetruncken seyn / schenckt wieder ein.

MIERTEN. O ihr Narren / was macht ihr einander das Leben sauer / wer kans denn so gleiche theilen / daß nimmer was drinne bleibt. Nu es gilt noch einmahl Carle morle Puff. Er säufft zwey mahl.

MICKE. Ey Puff hat nichts kriegt / schenckt den Becher wieder ein.

MIERTEN. Ich werde zu thun haben / wo ich auff drey zehlen lerne. Nu zum dritten mahle Carle morle Puff. Er trinckt drey mahl.[85]

MICKE. Das gilt wieder nicht / die Knie müssen verwechselt werden / wer das nicht kan / muß noch einmahl sauffen.

MIERTEN. Ie darauff hab ich nicht achtung gegeben / weist mirs nur noch einmahl.

KARSTEN. Nu ich wils weisen. Er trinckt / und wechselt so mit den Knien.

MIERTEN. Nu werd ichs können eins um ander / und alle beyde zusammen.


Er trinckt offte / sie haben allemahl etwas zu tadeln /und schreyen hefftig darzu / wenn auch der Becher nicht voll genung ist / wird allezeit was darzu geschenckt: Auff die letzt kan ers.


MICKE. Nu das war recht / so sehen wir doch / daß er ein Fürstl. Hertze hat.

MIERTEN. Ja ja wo Carle morle Puff ein rechter Kerle ist / das sichs der Müh verlohnt / so mags hingehen.

BREIT. Ihr Gnaden / ich habe ihr den Becher zu getruncken / sechs aus einen auffs Frauenzimmers Gesundheit.

MIERTEN. Ja ja Gigack das Frauenzimmer / trinck her.

BREIT. Ich habs schon gethan.

MIERTEN. Aber ich habs nicht gesehn. Sie schreyen alle ja ja er hat getruncken / Ihr Gnaden müssen bescheid thun. Ie nu habt ihrs gesehen / so muß wohl wahr seyn / aber ich wolte lieber damit warten biß morgen.

BREIT. Morgen ists Bier sauer / da wäre das Frauenzimmer geschimpfft / ey es sind kahle Becher.

MIERTEN. Nu ich trincks der gantzen Compagnie zu / sechs aus einen.


Hier wird ein Becher nach dem andern eingeschenckt / sie verzehlen sich allezeit / daß er von forne wieder anfangen muß / endlich bittet er man solle ihn verschonen / und er muß allzeit dran /biß er seine Hülffe hat.


MIERTEN. Nu ich habe mein Frauenzimmer redlich gewehrt / wo ich heinte noch soll zu ihm gehn / so muß ich reiten / die Füsse werden mir gar ringlich.[86]

MICKE. Ich will wohl gehn / und will beym Frauenzimmer ein Pferd bestellen.

MIERTEN. Du rede mir nicht / wenn die Fürsten meines gleichen gesoffen haben / so fange sie gerne Händel an.

MICKE. Was hab ich denn gethan / das Händel verdient.

MIERTEN. Es mag mir einer thun was er will / so fang ich Händel an.

MICKE. Wir wollen hoffen / es wird nicht so böse gemeinet seyn.

MIERTEN. Ich will euch wohl die böse Meynung weisen / ihr Hunde. Denckt ihr nicht / daß ich von freyen Stücken kan Händel anfangen. Packt euch aus meinem Gesichte / oder ich will mein Schwerd ausziehen / daß die gantze Stube erzittern soll.

MICKE. Wenn wir gleichwohl einen blosen Degen sehn sollen / so thut doch / was ihr nicht lassen könnt.

MIERTEN. Ich wils auch thun / seht ihr Hunde da steckt meine Grimmigkeit.


Er zeucht ein rauch Schwäntzgen an statt des Degens rauß / sie fangen alle überlaut an zu lachen / endlich lauffen sie davon.


Quelle:
Christian Weise: Ein wunderliches Schau-Spiel vom niederländischen Bauer. Stuttgart 1969, S. 83-87.
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