Vierdter Auffzug.


[22] Cunigunda, Zabisch.


ZABISCH. Allerschönste Königin / meine Ankunfft wird vielleicht zur Unzeit geschehen seyn.

CUNIGUNDA. Warumb zur Unzeit? Eine Mutter schertzet gerne mit dem Kinde / wenn sie nichts zu thun hat: wenn sie aber auff andere Gedancken gebracht wird / so kan sie gar leicht den Scherte auff eine andere Stunde verlegen.

ZABISCH. Es ist wahr / die Umstände lauffen so / daß man die Gedancken wohl wird müssen zu rathe nehmen.

CUNIGUNDA. Wenn uns das Glücke beystehet / so haben wir die Helffte von unsern Gedancken ersparet.

ZABISCH. Ob uns das Glücke beystehen wird / solches können wir vor dem Ausgange nicht wissen.

CUNIGUNDA. Ihr seyd zu tugendhaft / die Belohnung muß endlich nach eurem Wunsche genossen werden. Hier ist meine Hand / ihr habt langst über mein Hertze triumphiret / die nachfolgende Heyrath soll erweisen / daß euch mein Hertze in der Liebe gehorsam ist.

ZABISCH. Es ist mein Gehorsam daß ich so einer wundergnädigen Königin nicht widerspreche. Doch an meinem Exempel soll die Welt erkennen daß ein tapfferer Gemahl zugleich kan ein getreuer Diener seyn.

CUNIGUNDA. An uns habt ihr nicht zu zweifeln / das übrige werdet ihr selbst zu bedencken wissen.[23]

ZABISCH. Unsere Parthey ist allem Vermuthen nach die Stärckste / damit wollen wir im Königreiche die Oberhand behalten. Doch dieses muß ich bekennen / ich will keine Königliche Gemahlin durch meine Liebe beschämen / wenn ich sie nicht zugleich auff dem Königlichen Throne befestigen soll. Hier ist mein Hertz / die Bluts-Tropffen die anitzund herum wallen / sollen zum Pfande gesetzt seyn / daß die Böhmen auch in künftiger Zeit ihre gekrönte CUNIGUNDA anbeten werden.

CUNIGUNDA. Wie können wir dieses hoffen?

ZABISCH. Ich will sagen wie können wir zweifeln?

CUNIGUNDA. Die Böhmen wissen schon von ihrem Könige WENTZEL zu reden.

ZABISCH. Es ist noch lange dahin / ehe er zu seinen vollen Jahren kömpt.

CUNIGUNDA. Die Zeit möchte zu unsrer Hoffnung allzu geschwinde verlauffen.

ZABISCH. Ach allerschönste Königin / was hab ich vor ein Zeichen / daß unsere Liebe befestiget ist?

CUNIGUNDA. Ist dieser Kuß nicht glaubwürdig gnug?

ZABISCH. So darff ich reden / und darff mich keines Mißfallens befürchten?

CUNIGUNDA. An der Person / die zu lauter Annehmligkeit gebohren ist / wird niemand ein Mißfallen verspühren.

ZABISCH. Der junge König WENTZEL kan sterben.[24]

CUNIGUNDA. Aber eine Mutter muß wündschen / daß er lebt.

ZABISCH. Die Krone auff dem Kopffe wird köstlicher seyn / als der Sohn in den Armen.

CUNIGUNDA. Wenn er aber nicht sterben wolte?

ZABISCH. Wenn es eine Mutter im Ernste schaffen will / so muß ein Sohn wohl zum Tode gehorsam seyn.

CUNIGUNDA. Das Geheimniß scheinet mir zu dunckel.

ZABISCH. Allerschönste Königin / wo sie dieses nicht verstehen will / so können wir beyderseits nicht vergnüget seyn. Stehet König WENTZEL im Wege / daß sich die Frau Mutter der Königlichen Hoheit nicht versichern kan / so mag er in RESPECT der Frau Mutter etwas vom Eisen / etwas vom Giffte / etwas von einer seidenen Schnur zu sich nehmen: denn das Kind ist gehorsam / welches die Eltern in ihrer Vergnügung bestätiget.

CUNIGUNDA. Behüte GOTT / wie könte sich das Mütterliche Gewissen zu einer solchen Grausamkeit RESOLVIren?

ZABISCH. Man muß dem Glücke folgen. Es sind zwey Wege / wo der Sohn lebet so muß die Mutter sterben / das heist sie muß ihrer Königlichen Hoheit nach als eine Verstorbene gerechnet werden: Hingegen wo der Sohn stirbt / so kan dieser getreueste Diener in den Armen seiner Königin über sein lebendiges Wohlseyn erfreuet werden.

CUNIGUNDA. Es ist zu viel / daß ein Kind sterben soll.

ZABISCH. Es ist zu viel daß eine Königin der Krone gäntzlich absterben soll.[25]

CUNIGUNDA. Der Mutter Titul ist all zu angenehm.

ZABISCH. Der Titul einer neuen Gemahlin soll tausendmahl angenehmer seyn.

CUNIGUNDA. Ach in was für einen Irrgang werde ich geführet.

ZABISCH. Eine Mutter / die sich zu neuer Liebe verstehet / muß den alten Gemahl / und also auch das alte Pfand desselben in Vergessenheit stellen.

CUNIGUNDA. Ich sehe was ich thun soll. Doch last mir Zeit / daß ich mich zu etwas gewisses RESOLVIre.

ZABISCH. Nachdenckliche Sachen müssen in einer Hitze vollzogen seyn / die Zweifels-Knoten dürffen nicht auffgelöset / sondern mit einem Messer zerschnitten werden.

CUNIGUNDA. So spricht derjenige / der mit einem männlichen Hertze begäbet ist / ich bitte nochmals man lasse mir ein wenig Zeit / denn es mag ablauffen wie es will / so bleibt es doch bey dem wundersüssen Schlusse / daß ihr über meine Liebe zu gebieten habt. Küsset ihn.

ZABISCH. In solcher süssen Vergnügung nehm ich demüthigen Abschied.


Quelle:
Christian Weise: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1971 ff., S. 22-26.
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