Sechzehender Auffzug.


[107] Wentzel, Lisel, eines Zittauischen Bürgers Tochter.


LISEL. Wo ist denn meine Mutter hinkommen? wo ist denn mein Vater? wo sind denn die andern Leute? sie müssen wohl nachkommen. Doch was frag ich darnach / hab ich doch meine Semmel bey mir / je hätt ichs doch nimmermehr gedacht / daß es zur Gabel so hübsch wäre / da seyn Semmeln / da seyn Würste / da seyn Kuchen / da ist ein hauffen hübsch Ding / wenn meine Mutter wolte zur Gabel bleiben / ich wolte mein Tage nicht wieder auff die Sitte kommen. Aber was liegt da vor ein schön Kind? je du liebes Hertzel / siehest du doch aus / als wie das Christ-Kindel. Ja das fehlte doch noch zur Gabel / solche schöne Kinder hatten sie nicht da.

WENTZEL. Ach wer kützelt mich / last mich schlaffen.

LISEL. Ich bins.

WENTZEL. Wer heist denn ich bins?

LISEL. Meister Bärthelts Lisel von der Sitte.

WENTZEL. Wer mir nicht zu essen bringt / der muß mich zufrieden lassen.

LISEL. Je du liebes schönes Kind / ich habe zu essen.

WENTZEL. Nun so will ich doch auffwachen. Ach mein liebes Mädgen hastu was zu essen / so gieb mirs fein bald.

LISEL. Ja ja da hab ich ein Höckel / sieh da ist Kuchen / da ist auch kalt Gebratens / die Plätze seyn mir gar zerbrochen.[108] Sieh da ist auch eine Semmel / sie ist gar gut / Meister Baltzer von der Gabel hat sie selber gebacken.

WENTZEL isset begierig.

LISEL. Nun höre mein schönes Kind / wer bist du denn?

WENTZEL. Höre doch mein liebes Mädgen hast du gessen?

LISEL. O ja / ich habe zur Gabel brave gessen / fühle wie mir der Bauch strotzet.

WENTZEL. Nun so höre / laß mich auch essen.


Quelle:
Christian Weise: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1971 ff., S. 107-109.
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