CAP. I.

[9] Florindo der Herr selbst, Gelanor der Hoffmeister, und Eurylas der Verwalter, zogen mit ihrem Mahler und drey Dienern von dannen, traffen auch innerhalb acht Tagen wenig denckwürdiges an. Weil es doch allzeit die Art mit den Leuten hat, daß sie nur das jenige hoch halten, was weit entlegen ist; und hingegen ihre eigene Sachen verachten oder hindan setzen, nach dem Sprichwort: Asinus peregrinus majori venit pretio, quàm eqvus domesticus. Also eileten sie von ihrem Vaterlande hinweg, und meinten nicht in der Nachbarschafft viel merckwürdiges anzutreffen. Als sie aber etliche funffzig Meilen hinter sich hatten, kamen sie auf den Abend sehr müde in das Wirthshaus. Der Wirth war allem Ansehen nach ein feiner höfflicher Mann, der sich gegen fremde Gäste sehr wohl anlassen konte. Absonderlich wuste er sich in Gesprächen mit iederman sehr annehmlich aufzuhalten, daß die Compagnie vermeinte, es würde nun einmahl Zeit seyn, etwas genauer in die närrische Welt zu gucken. Fragten derowegen, ob nicht etwas sonderliches in selbiger Gegend zu sehen wäre? der Wirth gab zur Antwort, es wäre ein schlechter Ort, da man viel Raritäten nicht antreffen würde: Doch könte er dieses rühmen, daß eine Meile von dar ein Warmes Bad sey, da nicht allein die Natur viel vortreffliche Wunderwercke zu erweisen pflege: Sondern da auch allerhand Gattung von grossen und geringen Leuten, sich häuffig antreffen liessen. Sie baten, weil sie des Weges nicht kündig, möchte er ihnen das Geleite geben, und solte er vor gute Belohnung nicht sorgen. Er bedachte sich etwas; doch nach wiederholter Bitte sagte er ja, und ward also noch den[10] Abend zu der Reise gewisse Anstalt gemacht. Hierauff wurden sie in ihre Schlaff-kammer gewiesen, und hatte sich Florindo schon außgekleidet, als der Mahler geschwind gelauffen kam, mit dem Bericht, wofern sie wolten einen Ertznarren finden, solten sie ihm folgen. Sie waren froh, und liessen sich nicht auffhalten, kamen auch in aller Stille vor des Wirthes Kammerthür, da höreten sie, wie die Frau mit dem Manne expostulirte. Was, sagte sie, du ehrvergessener Vogel, wilstu wieder aus dem Hause lauffen, und mir die schweren Haussorgen allein auf dem Halse lassen? Hätten dich die kahlen Schüffte vor 2. Jahren gemiethet, so möchten sie dich heuer vor einen Boten gebrauchen. Jetzt bistu mein Mann, und dessentwegen hab ich dich in die Güter einsitzen lassen, daß du mir pariren sollst. Oder hättestu wollen ein Landläuffer werden, so hättestu eine Marcketener-Hure mögen aussuchen, ich hätte doch wohl so einen nackichten Bernheuter gekriegt. Daß dich botz Regiment! mache mir es nicht zu bund, sonst werden meine Nägel mit deinem Hurenspiegel treffliche Cameradschafft machen. Gelt! du hast Blaubeltzgen im warmen Bade lange nicht besucht? du elender Teufel, wenn du deine Haußarbeit recht versorgen köntest! Hier fiel ihr der Mann in die Rede; ach hertzallerliebste Frau, sagt er, warumb erzürnet ihr euch doch ümb so eine geringe Sache, ihr wisset ja, daß ihr allzeit darauff kranck werdet. Soll ich nicht mitreisen, so sagt mir es nur mit guten, ich will von Hertzen gern zu Hause bleiben, thut nur eurer Gesundheit keinen solchen Schaden. Ach du Hunds- etc. fing sie hingegen an, du hast es wohl verdient, daß ich dir viel gute Worte geben soll, wie lange hat das lauffen nun gewähret, und wielange soll ich dein Schaubhütgen seyn, der Hencker dancke dirs, daß ich mir deinetwegen das Hertze und das Leben abfressen muß, und rede mir nur kein Wort darzwischen, sonsten wollen wir sehen, wer Herr im Hause ist. Du Bettelhund, wer warestu, als du in deinem lausichten Mäntelgen angestochen kamest, da dir das Hemd zu den Hosen herauß hieng, und da dir der Steiß auf beyden Seiten herauß guckte, hättestu auch einen blutigen Heller gehabt, wenn[11] man dich hätte zu Boden geworffen? Wer hat dich denn nun zum Manne gemacht, du Esel, als eben ich? Und wer hat dir bessere Macht Ohrfeigen zu geben, als eben ich? Der Mann wolte etwas reden, aber es fing abscheulich an zu klatschen, daß die Zuhörenden geschworen hätten, der gute Kerle bekäme Maulschellen, da da, du Berenhäuter, rieff sie, da hastu Geld auf die Reise, du verlauffener Schelm, da hastu die Lauge zum warmen Bade, warte, ich will dir den Kopff mit der Mandel-Keule wieder abtrocknen. Der Mann muckste kaum dargegen, nur bißweilen murmelte er diese Worte: o meine güldene hertzallerliebste Frau, was hab ich denn gethan? Endlich als das Gefechte lange genug gewähret, und viel leichtfertge Worte vergossen worden, sagte die Frau: das soltu wissen, du eingemachter Eselskopff, daß ich dich nicht weg ziehen lasse, und damit du zu Hause bleiben must, siehe so wil ich dir Schuh und Strümpfe verstecken, und solstu morgen den gantzen Tag zur Straffe barfuß gehn. Hiermit kam sie an die Thüre, und wolte die Strümpfe herauß tragen, da riß die Compagnie wieder aus, und verfügte sich in die Schlaff-kammer. Nun hätten sie sich gerne über den Narren verwundert, aber ümb den Schlaff nicht zu verstören, versparten sie solches biß auf den andern Tag, gaben unterdessen dem Mahler Befehl, sich mit den Farben fertig zu halten, wenn er unversehens den elenden Siemann abmahlen müste.

Früh morgens gieng der gute Mann mit seinen Grillen zu Rahte, wie er sich doch gut genug entschuldigen möchte, wenn er von den Gästen zur Reise gefordert würde, vornemlich schämte er sich vor den fremden Leuten mit nackichten Beinen zu erscheinen, und gleichwol kunte er die Sache nicht ändern, doch zu seinem Glücke saß der Mahler in der Stube, und machte die Farben zu rechte, der hatte nun etwas in der Kammer oben vergessen, und wolte es holen, indessen wischet der Wirth über die schwartze Farbe, und bestreichet sich die blossen Beine über und über, daß zehen Blinden hätten sollen vorüber gehen, und nicht anders dencken, es wären rechte nette Englische Strümpfe. In solchem Ornat steckte er die Füsse in die Pantoffeln,[12] und sprach seinen Gästen zu, fragte wie sie geschlaffen, und ob sie gesonnen, nach dem warmen Bade zu reisen. Es sey ihm hertzlich leid, daß seiner Liebsten diese Nacht ein schwerer Fluß auf die Brust gefallen, und er selbst gezwungen würde hier zu bleiben, und der annehmlichen Gesellschafft zu entrathen. Solche entschuldigung wurde leicht angenommen, und nachdem das Frühstück verzehret, und der Wirth bezahlet, namen sie einen andern Wegweiser, und reiseten auf erwehntes warmes Bad zu. Unterwegen fieng Florindo an: Ist dieses nit ein Anblick von einem rechtschaffenem Haupt-Narren, daß ein Mann, der doch wohl in der Welt fort kommen könte, üm einer eiteln und verdrießlichen Nahrung willen, sich mit einer solchen Vettel verkuppelt, und sich zu einem ewigen Sclaven macht. Und ist es nicht ein gedoppelter Narr, daß er sich so eine matte krancke Frau lässet Ohrfeigen geben, und schmeist die alte Hexe nicht wieder, daß ihr alle drey Zähne vor die Füsse fallen, da geht nun der arme Donner, in seinen geschwärtzten Beinen, und wer weiß, wie ihm das Mittagsmahl bekommen wird. Der Hoffmeister gab sein Wort auch dazu, doch war dieses seine Erinnerung, man solte sich über den ersten Narren nicht zu sehr verwundern, es möchten noch grössere kommen, bey welchen man die Verwunderung noch mehr von nöthen hätte. Es währete auch nicht lange, so kamen sie an ein Dorff, da sahen sie, daß ein grosser Zulauff von Leuten war, sie eileten hinzu, und befunden, daß ein Mann, der sonst, den Kleidern nach, erbar genug war, seine Frau bey den Haaren hatte, und ihr mit einem Brügel den Rücken mit aller Leibes-Macht zerklopffte. Sie liessen die zween ungleiche Federfechter von einander reissen, und fragten, was er denn vor Ursache hätte, mit seiner Frau so unmenschlich umzugehen. Ach ihr Herren, sagte der Kerle, ich bin ein Spitzen-Händler, da hab ich bey einem vornehmen Junckern einen guten Verdienst gehabt, und soll mir nur die Frau, die lose Bestie, den Gefallen thun, daß sie spräche: nun Gott Lob und Danck, daß die Spitzen verkaufft sind. Aber der Hencker hohlte sie, ehe sie mir zu Liebe das Wort sagte, und doch muß sie noch so sagen,[13] und solt ich ihr den Hals in zehen Stücke brechen. Hierauff fragte Eurylas die Frau, warum sie so widerwärtig wäre, da sie doch mit leichter Müh diesem Unglück entlauffen könte. Ach! sagte sie, es wäre viel davon zu reden, wer alles erzehlen solte, wenn mein thummer Haus-Elephant den Narren in Kopff bekommt, so muß er was zu zancken haben, und wenn er die Ursache vom Zaune brechen solte. Es ist ihm nicht ümb die liebe Gottesfurcht zu thun, hätte ich so gesagt, so wäre was anders herauß kommen. Gelanor versetzte, gleichwohl hätte sie das Wort leicht nachsprechen können, und also wäre sie desto mehr aus der Schuld gewesen, wenn ihr hernach etwas ungebührliches wäre zugemuthet worden. Ja wohl, sagte sie, hätte ich es nachsprechen können, wenn ich nicht wüßte, was er vor ein liebes Hertzgen wäre; das ist der Männer Gebrauch, sie fordern so viel von den Weibern, biß es unmöglich ist alles zu thun, und derhalben ist diese am klügsten, die im Anfange sich nicht läst zum Narren machen. Wer a. spricht, soll auch b. sprechen, und das will ich meinem Kerl nimmermehr weiß machen, daß er mich das gantze A.b.c. durchführen soll. Hierauff ritte Florindo fort, und sagte zu seinen Gefährten, es verlohne sich nicht der Müh dem Lumpen-Gesinde zuzuhören, doch gab Gelanor diese Anmerckung darzu, es wäre nicht eine geringe Narrheit mit untergelaufen: denn, sagte er, solte der Mann nicht mit dem schwachen Werckzeuge Geduld haben, und wann er in der Weiber Gemüthe einige Verdrießligkeit befünde, solte er nicht vielmehr auf Mittel und Wege dencken, sie zu begütigen, als daß er einen Teufel heraus und zehen hingegen wieder hinein schlägt. Er muß sie doch einen Weg wie den andern umb sich leiden, und wer wird mit ihrer Bosheit ärger gestrafft, als der Mann selber. Eine geringe Schwachheit wolte er nicht vertragen, nun muß er eine übermäßige Boßheit einfressen, und kommt so zu reden auß dem Staube in die Mühle, aus dem Regen in die Trauffe. Es ist nicht ohn, Alexander M. beim Curtio hat es auch vor gut erkannt, daß ein Mann seine Frau schlagen möchte: allein es bleibet doch dabey, was ein vornehmer ConsistorialRath[14] gesagt: wer die Frau schlägt, der ist ein elender Mann; wer sie aber aus geringen Uhrsachen schlägt, der ist gedoppelt elende.

In dergleichen Discursen hielt sich die Compagnie auf biß sie vor das Städtgen gelangeten, allwo des Wirthes Aussage nach das warme Bad anzutreffen war: Nun hatten sich eben viel Leute eingefunden, welche die Frülings-Cur daselbst gebrauchen wolten, daß also wegen der Quartiere grosse Ungelegenheit war. Nach vielen Bemühungen kamen sie bey einem Priester in das Losament, und funden einen vornehmen Cavallier, der sich mit seiner Liebste etliche Stunden zuvor eben in selbigem Hause einquartieret hatte. Sie machten bald Bekandschafft, und beschlossen, die Mahlzeit beysammen einzunehmen, inzwischen ließ Florindo einen Becher Wein langen, und brachte dem unbekannten Cavallier eins auf Gesundheit zu: Allein wie er darnach greiffen wolte, kam die Liebste darzwischen, ach mein Engel, sagte sie, was will er mit dem ungesunden Wein in dem Leibe, er gedencke doch, daß er durch einen jedweden Becher etliche Tage von seinem Alter, und noch einmahl so viel Bluts-Tropfen von meinem Hertzen absauffen muß. Ach er thu den Becher weg! Er schüttelt den Kopff, und gab zur Antwort: meine Frau, das ist kein überfluß, wenn man vornehmen Leuten zu bestätigung fernerer Bekandschafft einen erleidlichen Ehren-Becher bescheid thut, ich werde darum weder eher noch langsamer sterben, ob ich den Becher trincke oder auf die Erde giesse. Gleichwohl dieser Worte ungeacht, grieff sie noch härter zu, und bat ihn, er solte doch seine Liebste bedencken, welche seine Gesundheit so genau und sorgfältig in Acht nehme. Kurtz von der Sache zu reden, sie brachte ihm so viel bewegliche Worte für, fing auch ein bißgen an zu weinen, daß der gute Herr sich muste gefangen geben; und solches that sie ohn unterlaß, wenn er einen Bissen wider ihren Willen essen oder sonst was vornehmen wolte, das ihr nicht annehmlich war. Recht lächerlich stund es, als in währender Mahlzeit ein Mahler kam, und allerhand Schildereyen zu verkauffen hatte. Denn als die andern etwas von ihrem Gelde anlegten,[15] und dieser eines Stückes gewahr wurde, auf welchen die Einnehmung der grossen Chinesischen Mauer abgebildet war, beliebte er es zu kauffen. Es mag seyn, daß er sich in das Bild verliebte, oder auch, daß er in der Gesellschafft nicht wolte vor karg angesehen werden. Doch schlug sich die Liebste bald ins Mittel, und beredete ihn wunderliche Händel. Er solte doch sehen wie die Farben so unscheinbar auffgetragen, wie es hin und wieder schon auffgesprungen, es wäre gewiß etliche Jahr ein Ladenhüter gewesen, nun käme er und suchte einen Narren, der es über der Mahlzeit in voller Weise behalten möchte. Sie wüste einen Mahler, der hätte Stücke, denen nichts fehlte als das Leben, und welchen andre Taffelkleckereyen nicht das Wasser reichten. Uber dieß wäre es Schande, daß er seine schöne Ducaten und Reichsthaler vor solchen Lumpenzeug solte hinschleudern, wenn es noch Doppel-Schillinge oder küpfferne Marien-Groschen wären, deren man ohn dieß gern wolte loß seyn. Summa Summarum, er durffte das Bild nicht kauffen. Nach verrichteter Mahlzeit zog Gelanor den Florindo auf die Seite, und fragte ihn, ob er auch den abscheulichen Narren in Acht genommen. Ach, sagte er, ist das nicht ein Muster von allen elenden Sclaven. Das Weib stehet in solcher Furcht, daß sie im Ernste nichts begehren darff, und gleichwol kan sie unter dem Schein einer demütigen und unterthänigen Bitte ihre Herrschafft glücklich manuteniren. Von grossen Herren ist das Sprichwort, wenn sie bitten, so befehlen sie: aber es scheint, als wolte solches auch bey dieser Frau wahr werden, und also ist ein schlechter Unterscheid, ob sich der Mann befehlen läst, oder ob er in alle Bitten willigen muß. Florindo, der allezeit die Helffte von den Gedanken bey seiner Liebsten hatte, fiel ihm in die Rede, und wolte erweisen, daß alles aus reiner und ungefärbter Liebe geschehen, und also der Mann wäre straffwürdig gewesen, wenn er solch freundlich Ansinnen durch rauhe und unbarmhertzige Minen von sich gestossen hätte. Allein Eurylas fing hefftig an zu lachen, und fragte, ob er nicht wüste, daß keine Sache so schlimm wäre, die sich nicht mit einem erbahren Mäntelgen bedecken[16] liesse. Man dürffe denselben nicht alsobald vor einen Engel des Lichts ansehen, welcher dem äusserlichen Scheine nach also verstellet wäre. Die Liebe bestünde in dem, daß beyderseits ein gleicher Wille in gleicher Freyheit gelassen wäre: nun aber sey der gute Mann mit seinem Willen dermassen gebunden, daß man nothwendig schliessen könte, dem Weibe sey es nicht darum zu thun, daß sie dem Manne viel nach seiner Inclination machen wolte. Bey diesen Worten kam der Priester, dem das Hauß gehörte, in das Zimmer hinnein getreten, und legte seine Complimente ab, sie solten in der wenigen Bequemligkeit vorlieb nehmen, und nur befehlen was sie begehrten. Hierauff geriethen sie in ein Gespräche, und fragte Florindo, wer denn der unbekante Gast sey? Der Priester gab zur Antwort, es wäre ein vornehmer Mann, habe sich vor diesem in hohen Fürstlichen Diensten auffgehalten, es sey ihm aber der Neid zuwider gewesen, daß er nun von seinen Renten leben müsse. Itzt sey er mehrentheils wegen seiner Liebsten in das warme Bad gezogen, als welche verhoffte hiedurch fruchtbar zu werden. Florindo fragte in seiner Einfalt, ob denn das Wasser solche Krafft hätte, doch halff ihm Gelanor bald auß dem Traume, indem er sagte, thuts das Bad nit, so thuns die Badgäste. Der Priester stellte sich, als verstünde er die Rede nicht, und nahm bald Abschied, mit wiederholter Bitte, das Losament nach ihrem Willen zu brauchen. Da gieng es nun an ein Lachen, über die Fruchtbarkeit des Weibes, die nicht viel anders außsah, als ein alter Meeraffe, und konte man fast errathen, warum der Mann seine hertzallerliebste Gemahlin nicht gern erzürnen wolte, indem er ohn allen Zweifel die Beysorge haben muste, als möchte sich die angefangene Fruchtbarkeit durch den Zorn wieder zerschlagen. Absonderlich wuste Eurylas, der alte durchtriebene Susannenbruder, viel Historien auf diesen Schlag beyzubringen. Es habe einmahl eines Schiffers Frau an ihren Mann so hertzinniglich gedacht, und in solchen Gedancken habe sie einen Eißzapffen vom Röhr-Kasten abgebrochen und verschluckt, also daß sie bloß von dieser Einbildung durch Hülffe des Eiszapffens schwanger worden,[17] und ein artiges schönes weißhäriges Knäbgen an die Welt gebracht. Eine andere habe nur auf ihres abwesenden Mannes Gesundheit getruncken, und alsobald hätte sie den Segen ihres Leibes empfunden. Wieder eine andere hätte sich an Hechts-Lebern, und noch eine andre an Heringsköpffen fruchtbar gegessen. Endlich kam die application, die gute Frau müste gewiß solcher Mittel nicht kundig seyn, daß sie alles auff so eine weitläufftige Reise hätte spielen müssen, und würde genau ein Trinckgeld zu verdienen seyn, wenn iemand ein solches probatum est dem alten Herren eröffnen wolte. Mehr dergleichen Händel kamen vor, als der Mahler dem Florindo einen project vorstellete, was er auf seine ledigen Tafeln vor Narren wolte mahlen lassen. Im ersten Bilde war eine Frau, die ritte auf einem Mann, dem Esels-Ohren angehefftet waren, mit dieser Uberschrifft:


Das ist ein grosser Narr, der ümb das liebe Brot

Deß Weibes Esel wird, und leidet solche Noth.


Auf der andern war ein Mann, der ritte auf der Frauen, und stach ihr die Sporn weidlich in die Ribben, mit dieser überschrifft:


Das ist ein grösser Narr: er legt die Sporen an,

Da er sein treues Pferd mit Güte lencken kan.


Auf der dritten war ein Reuter, der keinen Zaum in der Hand hatte, mit dieser überschrifft:


Das ist der gröste Narr, er reitet zwar sein Pferd,

Doch kommt er nur dahin, wohin der Gaul begehrt.


Florindo sahe die Kunststücke mit sonderlichen Freuden an, und vermeinte nun, es wäre seine mühsame Reise glücklich abgelauffen, und würde er nun innerhalb 14. Tagen seine Liebste zu sehen bekommen. Aber Gelanor halff ihm bald aus dem Traume, es wäre noch lange nicht an dem, daß er von dem ärgsten Narren in der Welt urtheilen könte, ob er schon etliche Proben von rechtschaffenen Weiber-Narren angetroffen hätte. Er müßte noch weiter dran, ehe er die Zahl auf neun und neuntzig brächte. Ja Eurylas brachte einen artigen Possen zu Marckte. In Warheit, sagte er, Mons. Florindo, wo er sich seine Liebste zu sehr einnehmen läst, so müssen wir[18] über die drey Felder noch eines bauen, da er hinein gemahlt wird. Gelanor lachte und bot sich an die Uberschrifft zu machen: Der Mahler selbst trat ihm ins Gesichte, als wolte er schon auf den Grund-Riß studiren. Mit einem Worte, der Händel wurden so viel, daß Florindo zusagte, er wolte die Liebste zu Hause des ihrigen gern warten lassen, sie solten ihn nur nicht in das Narren-Register mit einschreiben, wegen der Reise möchte es nach ihrem Gefallen lang oder kurtz währen.

Quelle:
Christian Weise: Die drei ärgsten Erznarren in der ganzen Welt. Halle an der Saale 1878, S. 9-19.
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