CAP. XXII.

[112] Gelanor wäre mit den Seinigen auch fort gereiset, allein er hörte, daß eine vornehme Stands-Person auff den andern Tag eben in dem Wirthshause abtreten wolte. Dieser zu Gefallen, blieben sie zurücke. Gegen Mittage kamen zween wohlmundirte Kerlen zu Pferde und bestelleten es nochmals, daß in anderthalb Stunden alles solte parat seyn. Endlich folgte die gantze Suite, welche in etliche 20. Personen bestund. Der jenige, welcher vor den Principal angesehen ward, hielt sich sehr prächtig. Seine Diener, welche zwar an Kleidern auch nichts mangeln liessen, musten ihn als die halben Sclaven veneriren. Ja als Gelanor, Florindo und die andern ihm mit einer tieffen reverenz begegneten, that er nichts dargegen, als daß er eine gnädige Mine über die Achsel schiessen ließ. Da war nun alles auf das kostbarste zugeschickt, wie denn der Wirth schon hundert Thaler auf die Hand bekommen, daß er nichts solte mangeln lassen. Zu allem Unglück hatte Florindo einen alten Diener, der vor diesem der Kauffmanschafft war zugethan gewesen, der kante diesen vornehmen Fürsten, daß er eines Kauffmanns Sohn auß einer wohlbekandten Stadt in Franckreich wäre. Gelanor straffte ihn, er solte sich besinnen, in dem leicht ein Gesicht dem andern etwas könne ähnlich seyn. Doch bestund dieser drauff, und sagte darzu, er kenne wohl ihrer sechs auß der Suite, Der Fourirer sey ein Schneider, der Marschalck sey etliche Jahr mit den Stapelherrn herumb gelauffen: die zween Hoffjunckern hätten sich zu seiner Zeit auf die Balbier-Kunst verdingt, und möchten nun außgelernet haben: ein Kammerjuncker sey ein verdorbener Kauffman, und der Kutscher sey vor diesem bey einem von Adel Reitknecht gewesen. Sie betraueten ihn nochmals, er solte wohl zusehen, ehe er solche gefährliche Sachen gewiß[112] machte: Aber er blieb dabey, und bat, man möchte ihm doch solche Thorheit nicht zumessen, daß er etwas ohne allen Grund würde vorbringen; Er wolle drauff leben und sterben. Nun waren etliche von Adel und andere Studenten im Gasthoffe, welche des Knechts relation angehöret. Zu diesen sagte Gelanor, was düncket euch, ihr Herren, wollen wir dem neubackenen Fürsten die Herrschafft gesegnen. Er ist uns noch eine Complimente schuldig, vor die Bicklinge, die wir gemacht haben, die müssen wir nothwendig abfordern. Sie waren allerseits willig darzu, und versicherte sie der Knecht, sie würden solche verzagte Berenheuter antreffen, daß es keiner sonderlichen Gewalt würde von nöthen seyn. Sie giengen zu Rathe, wie man die Sache am artigsten anfangen möchte. Endlich sagte Eurylas, er wolle seinen Knecht vor einen Hoffnarren außgeben, diesen möchten etliche dem Fürsten schencken. Gelanor wuste, was dieser vor ein Kautz war, und ließ sich den Anschlag gefallen. Hierauff deputirten sie etliche, welche sich musten anmelden lassen, als wären etliche Baronen, die Verlangen trügen, Ih. Durchl. auffzuwarten. Mit genauer Noth konten sie vorkommen: doch war die Gnade hernachmahls so groß, daß sie bey der Tafel blieben. Unterdessen muste der Mahler mit den Fürstl. Dienern bekandschafft machen und sie ausser dem Hause in einen Keller führen, damit der Tumult nicht zu groß würde. Also stund nun der Hoffnarr vor dem Tische, und machte einen lustigen Blick nach dem andern, biß der Fürst fragte, was diß vor ein Landsmann wäre. Alsbald sagte einer, es wäre ein guter Mensch, der bey hohen Personen condition suchte vor einen kurtzweiligen Rath auffzuwarten. Und damit war es richtig, der Fürst nahm ihn in Bestallung, und fieng seine Kurtzweil mit ihm an. Nun machte der Kerle wunderliche Possen, Herr, sagte er, wolt ihr mein Vater seyn, so will ich euer Sohn seyn, gebt mir nur zu Fressen und zu Sauffen, so soll es an meinen Kindlichen Gehorsam nicht mangeln. Aber, Vater, bistu nicht ein Narr, daß du so viel Schüsseln auf dem Tische stehn hast. Kan sich einer meines gleichen an ein paar[113] Gerichten satt essen, so meynt ich, du soltest auch außkommen. Oder glaubstu es nicht, so komm her und weise auf, wer den grösten Bauch hat. Ich habe wohl ein besser Fürstlich Zeichen, als du. Die sämtlichen Bedienten lachten von Hertzen über diesen neuen Pickelhering, doch sie kriegten auch ihr Theil, denn er sagte, Vater, was machstu mit den Müssiggängern, verlohnt sichs auch der Müh mit den Mast-Schweinen, daß du so viel Tischgeld vor sie giebst. Mein Rath wäre, du versuchst es etliche Wochen, ob sie wolten lernen Heckerling fressen. Oder vielleicht kanst du sie gar zum Hungerleiden angewehnen wie ich meinen Esel. Der kunte die Kunst, doch da er sie am besten inne hatte, da starb er, sonst solt er vor den Tisch herkommen, und solte da mit seinen Bluts-Freunden eines herum trincken: Der Fürst ließ sich die freymütige Natur des jungen Kerlen wohl gefallen, und vertiefte sich mit ihm in einen Discurs, welchen wir bequemerer Erzehlung halben hersetzen wollen. Der Fürst mag Sinobie, der Narr Pizlipuzli heissen.


Sinob. Höre, wenn du wilst mein Sohn seyn, must du dich im Reden besser in Acht nehmen.

Piz. Ey Vater laß du mich ungehoffmeistert, du verstehest viel, was zu einem Narren erfodert wird.

Sinob. Nun du wirst es machen, aber sag uns doch, wie heist du.

Piz. Ich habe keinen Namen. Aber, Vater, sage du mir, wo ist dein Land.

Sin. Das wirstu Zeit genug erfahren.

Piz. Vater, du wirst ohne Zweiffel sehr reich seyn, ich höre der Pfeffer und Ingwer, Streusand, Bindfaden und Löschpapier wachsen in deinem Lande, wie anders wo die Tanzapffen.

Sin. O du alberner Tropff.

Piz. Ey nun Vater, ich frage, wie ich es versteh. Aber was soll ich denn vor ein Aemtgen kriegen, wenn du in deine Residenz wieder kömmst.

Sin. Du solst Futter Marschalck über die Canarien Vögel werden.

Piz. Ach Vater, mache du mich zum Futter-Marschalck[114] über den Zucker Kasten, und gib mir eine Mörsel-Keule in die Hand, daß ich läuten kan, wenn mir was fehlt.

Sin. Ein schön Aemptgen. Aber warumb heist du deinen Vater du?

Piz. Je sieh doch, es verlohnte sich mit so einem neubackenen – – Vater, daß ich ihm grosse Titel gäbe. Doch wo du mir sagst, wie weit dein Land von hier ist, so will ich dich 12. mahl Ihr heissen.

Sin. Es ist so weit von hier biß dorthin, als von dort biß hieher.

Piz. Vater, das hätte mir ein klug Mensch gesagt. Scheint es doch, als wärestu auch einmahl ein Kurtzweiliger Rath gewesen, huy daß sich das Blätgen umbkehrt, ich werde Fürste, und du wirst Narr.

Sin. Du solst dich wohl schicken.

Piz. Vater denckstu denn, daß du dich so wohl in den Fürsten Stand schickest, wenn ich nicht gewiß wüste, daß du ein vornehmer Herr wärest: so schätzte ich dich auß deinen Minen vor einen Tabackpfeiffenkrämer.

Sin. Ey du respectirst deinen Herrn Vater schlecht.

Piz. Es ist ja wahr. Frage nur deinen Cammerdiener, was du vor Reden im Schlaffe führest.

Sin. Was sag ich denn?

Piz. Ich habe nichts gehöret, aber der Cammerdiener spricht, du kanst kaum einschlaffen, so ruffstu: Heinrich, wo ist die Wage? ach fürwar es ist ohn dieß halb geschenckt, noch sechs Pfennige auf das Loth, nun vor dießmahl mag es hingehen. Heinrich, wo ist der Faden, etc.


Gelanor stund mit der gantzen Compagnie vor der Thüre, und hatten ihre sonderliche Freude an dem vortrefflichen Fürsten. Doch mochten die letzten Reden zu empfindlich seyn, daß er solche mit einem Nasenstüber belohnen wolte: Aber der gute Pizlipuzli fieng an zu schreyen, und der vermeynte Baron, der den Narren recommendirt hatte, gab sein Wort auch darzu. Monsieur Printz, sagte er, lasset den guten Menschen unberührt, oder es wird sich einer angeben, der euch tractiren soll,[115] als den geringsten auf der gantzen Welt. Der Fürst sahe sich umb, und begehrte, man solte seiner Gnade nicht mißbrauchen: Er hätte Diener, die ihn leicht darzu bringen könten, daß er seine Unbesonnenheit bereuen müste. Was, replicirte dieser, sollen diese elende Creaturen mich darzu zwingen? so muß ich zuvor tod seyn: schmieß darauff ein Glaß mit Wein vor dem Fürsten auf den Tisch, daß ihm der Wein in das Gesichte spritzete. Indem trat Gelanor mit den Seinigen in die Stube, der Fürst sahe sich nach seinen Leuten ümb: Aber sie fassen bey dem Mahler in dem Weinkeller, und truncken ihres Fürstens Gesundheit: und also war Noth vorhanden. Kurtz von der Sache zu reden, der Printz kam in das Gedränge, daß er mehr Maulschellen einfraß, als er Unterthanen hatte. Seine Junckern machten sich bey Zeiten darvon, und nahmen mit etlichen Creutzhieben vorlieb, doch der Principal muste außhalten. Da war nun alles preiß, die Kasten wurden zerschmissen, die Fürstlichen mobilia in den Koth getreten, die schönsten Kleider in Stücken zerschnitten, das Geld theilten die Diener unter sich, und ob schon der Wirth sein bestes zum Frieden sprechen wolte; muste er doch Knebel inne halten, weil er leicht etliche Tachteln hätte können davon tragen. Endlich kam Florindo über das Fürstliche Archivum, welches in einem Beykästgen gantz heilig auffgehoben war; da waren nun unterschiedene Wechselbrieffe, absonderlich etliche Frantzösische Schreiben, darinn der Kauffmann seinen Sohn ermahnete, er solte sich nur resolut halten, an Gelde solte kein Mangel seyn. Ho ho, sagte Eurylas, ist es umb die Zeit, dem ehrlichen Manne ist gewiß bange, wo er mit dem Gelde hin soll. Ich halte, es wird sich am Ende außweisen, daß arme Witwen und waysen oder sonst gute Leute werden darben müssen, was dieser Pracher in seinem Fürstenstande so liederlich und unverantwortlich durchgebracht hat. Nun wäre noch viel zu schreiben, was vor eine Passion mit dem Fürsten gespielet worden: was er vor Beschimpffungen eingefressen, was er vor Stirnnippel auf die Nase genommen, wie zierlich die güldenen Spitzen auf seinem Silberstück,[116] das nun lauter stücke war, herumb gebaumelt; doch ruffte der Wirth die Obrigkeit umb Hülffe an, daß letztlich hundert Bürger kamen, und die Comœdie zerstörten, wiewohl dem Fürsten zum schlechten Trost, weil er bey Erkäntniß der Sache, mit in das Loch wandern, und biß auf des liberalen Vaters kostbare Außlösung allda verpausiren muste. Was nun weiter vorgelauffen, darumb haben sich die andern nicht viel bekümmert, ohn daß sie leicht geschlossen, er würde brav in die Büchse blasen müssen. Also machte sich Gelanor mit den seinen auf den Weg, und zogen auf die Messe.

Quelle:
Christian Weise: Die drei ärgsten Erznarren in der ganzen Welt. Halle an der Saale 1878, S. 112-117.
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