XVI.

[26] Der erste Affect ist / da man sich alles gutes wünschet. Und derentwegen gefallen uns die Erzehlungen / da von grosser Beforderung / von Reichthum / yon Ehre / und andern Gewerbe viel dicentes gemachet werden / ungeacht daß mehrentheils eine fremde Glückseligkeit darin zu betrachten ist. Den wir behalten doch zum wenigsten diesen Trost / weil es bey andern möglich gewesen / so könne es auch bey uns möglich werden. Die Menschliche Gebrechligkeit lässet uns gemeiniglich zu keiner glückseligen Hofnung kommen / und also bilden wir uns immer das ärgste ein: wen nun irgend ein lustiges Exempel uns vor Augen kömmet / so vergessen wir aller Furcht / und bringen in der süssen Einbildung / gleich als in einem Traume / etliche Stunden zu / da wir uns alles Glücke mehr als möglich vorstellen. Und wen auch unser unvollkommener Zustand der Gedancken Lust wiedersprechen[27] wil / so haben wir doch an diesen heimlichen Selbstbetruge ein solches Vergnügen / daß wir uns bey der nächsten Gelegenheit gar gern wieder fangen lassen.

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Christian Weise: Kurtzer Bericht vom politischen Näscher, Leipzig 1680, S. 26-28.
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