Erster Auftritt

[136] Röschen. Marthe, macht noch den Tisch zurechte.


RÖSCHEN sitzt am Spinnrade.

Mein! lobt mir doch nur nicht die Nacht!

Ich halt' es mit dem Tage.[136]

Wenn auch der Tag viel Arbeit macht,

So macht er nicht die Plage.

Am Tage braust kein wütend Heer,

Und die Gespenster fliehen:

Kein Alp, kein Rübezahl spückt mehr,

Und keine Drachen ziehen.

Kein Irrwisch tanzt, kein schwarzer Mann


Knetpt uns mit rauchen Tatzen:

Und keine Hexen schrey'n uns an

In Form der schwarzen Katzen.

Das wird nun freylich anders seyn,

Nimmt Töffel mich zum Weibe:

Da bleib' ich nicht die Nacht allein,

Und er hat Herz im Leibe.

Dann drohe Hex und schwarzer Mann,

Ich denk': Ey! droht euch müde!

Und schmiege mich an Töffeln an,

Und schlaf – ich schlaf – in Friede!


Während dieses Liedes nickt Röse immer, und die Mutter ruft sie auf: am Ende des Liedes schläft sie gar ein, und ist in Gefahr, vom Stuhle zu fallen.
[137]

MARTHE. Je Röse – Röse! – – Du fällst vom Stuhle – – Bist Du nicht ein Mädchen! das nickt, und schläft so bald sichs nur ans Spinnrad setzt.

RÖSCHEN. Ich weiß auch nicht, wo der Vater bleibt! Es ist stockfinstre Nacht, und itzt werden sie doch nicht mehr jagen.

MARTHE. Freylich könnte er nun weh! wieder zu Hause seyn. Aber – geh her, setze die Bänke, daß Du munter wirst.

RÖSCHEN. Wie viel sind denn unser? Sie fängt an zu zählen. Ich eins; der Vater zwey, Ihr dreye, Töffel –

MARTHE. Töffel, Töffel: den wird der Vater nicht mitbringen.[138]

RÖSCHEN. Wenn er ihn nicht mitbringt, so wird er schon von sich selber kommen. Er hat mir noch keine gute Nacht gewünscht, und das muß er thun, wenn ich gut schlafen soll!

MARTHE. O ja, ich habs gleich gesehn, daß Du nicht ohne Töffels gute Nacht schlafen kannst.

RÖSCHEN. Nu, schmält nur nicht, Mutter! ich schlafe ja nicht mehr – Ich eins, der Vater zweye, die Mutter dreye; Töffel –

MARTHE. Je daß dich, Töffel! ich habe Dir ja gesagt –

RÖSCHEN. Da macht Ihr mich nu gleich wieder irre. Christel –[139]

MARTHE. Ich glaube Mädchen, Du redst im Schlafe. Christel wird auch gleich in der finstern Nacht da zurücke kommen.

RÖSCHEN. Und was redt Ihr nu? Christel ist ja – Sie besinnt sich. ich hätte bald was gesagt. – Je, sie mögen sich die Stühle selber holen, wenn sie kommen ich kann nicht noch einmal zählen.

MARTHE. Nu, so sieh, wo noch sonst was fehlt!

RÖSCHEN. Es fehlt nichts mehr, Mutter: der Vater kann kommen, wenn er will.

MARTHE sieht sich selbst noch um. Gut so, Röse! Nu so setze Dich wieder ans Spinnrad, Du kannst vollends Deinen Rocken abspinnen – Lange mir dort[140] die Weife zu – – man muß niemals die Hände in den Schooß legen, wenn man eine gute Hausmutter werden will.

RÖSCHEN. Je nu ja, wenn ichs nur schon wäre. – Aber Mutter, Ihr müßt mir auch was erzählen: sonst schlafe ich gleich wieder ein, wenn ich mich setze.

MARTHE. Immer erzählen, erzählen! Was soll ich Dir denn erzählen?

RÖSCHEN. Je nu, zum Exempel von Gespenstern. Ich möchte nur wunders halben wissen, wie's zugienge. Ich wäre des Todes! wenn ich ein Gespenst sehen sollte, und höre doch vor mein Leben gerne von Gespenstern erzählen. – – – Nu, Mutter, macht, erzählt! – hört Ihrs Mutter?[141]

MARTHE. Ich muß nur, damit Du munter bleibst. – Nu, ich will Dir was von einem Gespenste erzählen, das Michel, Dein Vater selber gesehen hat.

RÖSCHEN. Mein Vater hat eins gesehen? mein Vater?

MARTHE. Ja, Dein Vater; mit eignen Augen hat ers gesehen. An dem Abend, da Michels Vater begraben wurde, hatte sich Michel kaum ins Bette gelegt, so gieng sein Kammerfenster auf. Klirr! – In dem Augenblicke hörte er den Geist mit großen Schritten auf sein Bette loskommen. Es schleppte große Ketten hinter sich her –

RÖSCHEN zitternd. Große Ketten! Ach wie schlägt mir das Herz! große Ketten?[142]

MARTHE. Ja, große Ketten, womit es einen erschrecklichen Lärm machte. Darnach – Du weißt unser Bette mit den alten blauen Vorhängen – – die zog der Geist auf. Ritz, Ratz, Ritz, ratz.

RÖSCHEN die noch mehr zittert. Ach! Ach! ich bin des Todes! o wenn einmal ein Gespenste so zu mir ins Bette guckte. – Aber Mutter, weil doch der Vater einen Geist gesehen hat: Wie sah denn der Geist aus?

MARTHE. Je, daß Dein Vater nicht ein Narr gewesen wäre, und hingesehen hätte. Nein, er steckte den Kopf brav tief unters Deckebette: aber so viel hörte er ganz deutlich brummen:

Ich bin Dein Vater, und bin todt.

Doch hör'! ich buck das Weihnachtsbrod,[143]

Das ich dem Küster zinsen muß,

Stets viel zu klein, und that ihm alles zum Verdruß.

Was ich ihm nahm leg Du ihm zu,

Sonst hab ich nicht im Grabe Ruh.

Gieb für die Leich' ihm die Gebühr

Gedoppelt, gieb sie ihm sonst komme stracks mit mir!

RÖSCHEN zittert und bebt. Ach! mein ganzes Geblüte starrt mir in Adern! o wie muß sich mein armer Vater gefürchtet haben! – Es wird geklopft. Ach, ein Geist! ein Geist!

MARTHE zittert ebenfalls. Nein, nein Röse, es klopft jemand, geh' nur, und mach' auf!

RÖSCHEN halb todt vor Furcht. Ich kann nicht! – – Mutter! geht Ihr – – Ihr seyd älter, als ich – und – und – und –[144]

MARTHE. Nu, so wollen wir mit einander gehen.

RÖSCHEN. Ach! thut nur nicht, als wenn Ihr Euch auch fürchtetet, sonst fürcht' ich mich zehnmal mehr.

MARTHE. Je ja, mein Kind, ich will thun, – als ob – ich mich nicht fürchtete. – Es wird stärker gepocht. Wer ist draußen?

CHRISTEL. Ich bins, so macht doch auf!

RÖSCHEN. Christel.

MARTHE. Er wird doch nicht etwan gar gestorben seyn, und wieder kommen?

CHRISTEL draußen. Wie lange soll man aber warten?[145]

RÖSCHEN. Nein, nein Mutter; es ist Christel, gewiß, ganz gewiß.

MARTHE. Nu, auf Dein Wort! Sie öffnet die Thüre.


Quelle:
Johann Adam Hiller: Die Jagd. Leipzig 1770, S. 136-146.
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