Dritter Auftritt

[29] Der König und die Königinn.


KÖNIG. So bin ich denn verdammt, in steter Furcht auf meinem Thron zu leben. Das Volk, die Geistlichkeit, in Zwietracht mit sich selbst und mit dem Himmel, feindselig stehen sie einander gegenüber, und streiten, wie[29] man Gott am besten diene, indeß ihm keiner dient. Mein Blut ruft fremde Mächte auf zu meinem Untergang, streut des Aufruhrs Samen, der üppig um sich greifen, uns verderben wird. Zur Königinn. Und deine Wange deckt nicht Todtenblässe? – mit stolzer Ruhe stehst du da, und denkst der Tage nicht, wo diese Herrlichkeit, die uns umgibt, verschwindet?

KÖNIGINN mit Ruhe. Ehe ich aus goldenen Schalen trank, ehe mich die prächtigen Gewänder schmückten, schlug ruhig dieses Herz auch unter dürftiger Hülle. Nichts, als unschuldsvolle Seelenruhe brachte ich euch zur Morgengabe. Erlaubt, mein König, daß ich diesen Brautschatz treu bewahre, denn des Hofes Glanz und Freuden geben dafür nicht Ersatz. Ihr seyd ein großer König, Herr über Tod und Leben, über Gold und Schätze, und könnt euch doch nicht einen frohen Augenblick erkaufen. Den nenne ich nicht reich, der alles hat, ihm bleibt nichts mehr zu wünschen, und er fürchtet, alles zu verlieren. Der, dem das Schicksal viel versprach, der hoffen kann, der ist der Glückliche.

KÖNIG. Maria –

KÖNIGINN. In jedem, der sich eurem Throne nahet, erblickt ihr einen Feind. Nicht um euch sehe ich Feinde, in euch wüthen sie. Kann der, mit sich nicht einige, mit andern wohl im Frieden leben? – Es schien euch recht, den Bruder zu verhaften, jetzt fühlt ihr wohl, es schien nur so, es war nicht recht. Ein Herzogthum habt ihr dabey gewonnen. Der König hat sein Land vergrößert, doch der Mensch ist dabey arm geworden.[30]

KÖNIG heftig. Weg mit dem Spiegel, in dem ich mich nur als Tyrann erblicke, den mir bey allem, was ich thue, geschäftig deine Hand entgegen hält. Maria, soll ich die Feindinn auch in dir erblicken? habe ich darum alle die verschmäht, die meinem Throne nahe standen, habe ich die Fernste an mein Herz gedrückt, daß sie mir auch mit Undank lohne?

KÖNIGINN mit Würde. Mein König – für alles, was ihr an mir gethan, kann ich euch nichts als Wahrheit geben. Je seltener euch diese Sprache war, je nöthiger ist es, daß ihr sie hört. Verbannt ist diese Himmelstochter von dem Thron der Könige – das Gift der Schmeicheley hat sie verdrängt, ich öffne ihr den Weg zu eurem Herzen. Glaubt mir, ich stehe nicht von ungefähr auf dieser Stelle – kein Zufall entrückte mich dem Staub. Den Wanderer, der auf einen schroffen Felsen klimmt, um Menschenwohl zu fördern, den leitet höhere Hand. Euch mit euch selbst, und mit der Menschheit zu versöhnen, zerriss'ne Bande der Natur an euer Herz zu knüpfen; darum stehe ich da, und eure Härte, selbst euer, Zorn soll mich nicht von dieser Stelle drängen. – Erik – hört die Stimme der Natur, verstoßt den Bruder nicht!

KÖNIG mit Zorn. Kein Wort von ihm! Bey meinem Zorn, wer für ihn spricht, ist der Genosse seiner Frevel! Er hat sein Schicksal selbst geleitet, er rief den Blitz, der ihn zerschmettern soll. Ist's meine Schuld, daß er ihn endlich trifft? Unwillig. Fort mit diesen Thränen, sie fließen meinem Feind. Faßt sie heftig bey der Hand. Maria, habe ich in dir auch eine Schlange mir gezogen? [31] Läßt sie los. Dann – glaube an die Menschheit, schwacher Funke, verlösche ganz. Dann will ich meines Volkes Geißel werden, dem Laster Tempel bauen, aus des Pöbels Hefen meine Räthe wählen, die Grausamsten zu meinen Freunden machen – den Tag festlich feyern, an dem die meisten Thränen flossen – dann flucht ihr Tugendhaften, flucht dem Teufel, zu dem ihr selber mich gemacht! Ab.


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 1, Wien 1817, S. 29-32.
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