Zweytes Exempel.

Eine der Uppigkeit in Kleydern gar zu ergebene adeliche Fräulein stirbt gantz verzweiffelt, und gottlos.

[52] Zu Spoleto, einer Stadt in Welschland, war ein adeliche Fräulein, die sich der Uppigkeit in Kleydern gantz und gar ergeben. Wie sie nun auf eine Zeit gefährlich erkrancket, und die Artzten ihr das Leben abgesprochen, hat man sie ermahnet, auf ihre Seel zu gedencken und bey Zeiten einen Beicht-Vatter kommen zu lassen, als dessen sie wohl wurde vonnöthen haben. Allein sie wolte nichts davon hören; sondern wie sie gemercket, daß es müsse gestorben seyn, begehrte sie von ihrer Frau Mutter, sie möchte ihr doch die schönste Kleyder, so sie zu tragen gewohnt hatte, herbey bringen lassen: dann in diesen, und nicht anderst wolle sie sterben. Wie nun das ein närrisches Begehren von einer Sterbenden war (als welche besser gethan, wann sie ein Leilach begehrt hätte, in welches ihr todter Leib möchte eingenähet werden) so wollte anfänglich die Frau Mutter nicht daran. Wie aber die Todt-Krancke mit Bitten nicht aussetzte, so liesse es die Frau Mutter endlich zu, nur damit ihr liebes Töchterlein nicht betrübt wurde. Als nun dieses Welt-Kind auf das üppigste angekleidet war, da sahe sie sich wie ein Pfau, stoltz und hoffärtig um, und brache zuletzt in diese wehemüthige Wort herfür: Ach! so muß ich dann sterben? so muß ich dann in der Blühe meiner Jugend in das Grab? so muß ich dann diesen Geschmuck, und alle zeitliche Freuden verlassen? ist es nicht schad um meine schöne Gestalt? wem wird dieser Geschmuck so wohl anstehen, als er mir angestanden? O trauriges Hinscheiden! man er mahnte sie zwar: jetzt seye kein Zeit, von dem Kleyder-Pracht zu reden, und solches unnützes Klagen zu führen, vielmehr solle sie auf ihr Seel gedencken, für diese müsse sie besorgt seyn, damit sie nicht verlohren gehe: was es den Menschen nutzen würde, wann er schon die gantze Welt gewinnen sollte, wurde aber Schaden leyden an der Seel? wie Christus sagt Matth. 16. solle also über ihr bishero geführtes üppiges und freyes Leben ein hertzliche Reu und Leyd erwecken, ihre Sünden aufrichtig beichten, und sich auf solche Weiß mit GOtt versöhnen: damit sie dort an ihm einen gnädigen Richter finde. Allein alles Zusprechen war bey diesem Welt-Kind umsonst: vielmehr fienge sie an zu toben, gräßlich herum zu sehen, und endlich in diese verzweiffelte Wort auszubrechen: sie habe mit GOtt nichts zu thun: er habe an ihr nie keinen Theil gehabt; werde auch keinen an ihr haben: vielmehr sollen tausend Teuffel [53] kommen, und sie wegführen: dem Teuffel hab sie sich ergeben, und des Teuffels wolle sie auch seyn in alle Ewigkeit. Diese entsetzliche Wort geredt, fiele sie in eine Ohnmacht, griffe zugleich in die Züg, und speyte ihren verdammten Geist in den Rachen der Höllen aus. Robertus Delirio in Opere de Pœnit. Serm. 10. cap. 3.

O unerhörte Gottlosigkeit! O verzweiffelte Reden! O erschröckliches End! also nemlich geht es, wann man schon in der Jugend an nichts anders, als Uppigkeit, Hoffart, und Freyheit des Lebens gedenckt.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 52-54.
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