Eilftes Exempel.

Ein Krot springt einem undanckbaren Sohn an die Stirn, und kan nicht mehr davon gebracht werden.

[64] In der Normandey, einer Landschaft in Franckreich, war ein Sohn, der sich an eine adeliche Fräulein verheyrathet hatte. Damit er sich nun standmäßig aufführen konte, hat er seine Elteren dahin beredet, daß sie ihm all ihr Vermögen überlassen; jedoch mit dem Beding, daß er ihnen lebenlänglich ehrliche Kost und Aufenthaltung geben solte: welches der Sohn auch heilig versprochen, und zugesagt. Nun das erste Jahr ist es fleißig gehalten worden, also, daß die Eltern froh waren, daß sie es so wohl getroffen hätten. Das andere Jahr aber gabe es schon schmale Schnittlein ab; weilen der Sohns-Frau daheim zu vil wolte darauf gehen. Damit nichts gemeldet werde von denen sauren Gesichtern, mit welchen sie diese ihre Kost-Gänger ansahe. Das dritte Jahr bauete man gar mit ihnen ab, und mußten die gute Eltern über Hals und Kopf aus dem Haus hinaus, und in ein armes baufälliges Häußlein, gleich gegen über ziehen: wo man ihnen dann auf einem Spänlein die tägliche Nahrung durch einen Diener geben liesse. Da hatten nun die verstossene Eltern Zeit genug, über ihre Unbesonnenheit zu klagen; daß sie nemlich all ihr Vermögen dem Sohn überlassen, und das Beste aus der Hand gegeben hätten. Unterdessen truge es sich zu, daß der Sohn ihme wohl seyn zu lassen, auf einen Mittag eine Ganß in der [64] Kuchel an Spieß stecken, und braten liesse. Wie das die alte Mutter erkundiget, erzählte sie es ihrem Mann, und sprache ihm zu, er solte sich dieser Gelegenheit bedienen, zum Sohn ins Haus gehen, und sich selbst zu Gast laden; damit er auch einmahl genug essen könte. Der hungerige Alte folget, und macht sich auf den Weeg. Wie ihn aber der Sohn von dem Fenster aus gesehen, liesse er geschwind die Ganß von dem Spieß, und auf die Seite thun: gienge alsdann dem Vatter entgegen, und fragte ihn gantz trutzig, was er jetzt zu so ungelegener Zeit für wichtige Geschäft anzubringen hätte? Der liebe Alte verstunde gleich, wie vil es geschlagen, und daß er kein angenehmer Gast wäre; nahme also seinen Weeg traurig zuruck: wordurch er freylich dem undanckbaren Sohn, und der geitzigen Sohns Frau keinen geringen Gefallen gethan; klagte aber unter Weegs diese Grobheit, und Undanck des Sohns dem gerechten GOtt, der zu seiner Zeit das Böse zu straffen weißt. Wie nun der Alte hinweg war, da befalle der Herr, man solte die Ganß wieder an Spieß stecken, und gar ausbraten. Die Köchin kame dem Befehl nach; gienge in das Speiß-Gewölb, und holete die Ganß. Wie sie aber die Schüssel, in welcher die Ganß war, abgedeckt, fande sie eine grosse abscheuliche Krot mitten auf der Ganß sitzen. Die Köchin voller Schröcken, liesse die Schüssel und Brat-Spieß fallen; eilte in die Stuben, und zeigte es dem Herrn, und der Frauen an. Er selbst der Herr, lauft herzu, und nimmt den Augenschein ein. Wie er aber mit einem Stecken die Krot wolte hinweg schlagen, da sprange ihme diese unversehens in das Gesicht, blibe auch an der Stirn so starck kleben, daß sie auf keine Weis mehr könnte davon gebracht werden. Ja (was wunderlich ist) so bald man diese Krot mit einem Stecken wolte wegschlagen, empfande der Sohn solches Hertzwehe, daß er eben gemeint, er müsse davon sterben. Der elende Mensch gantz ertattert, erkennete nunmehr, daß dieses ein augenscheinliche Straf GOttes seye: verfügte sich also zu dem Bischof des Orts, und beichtete mit grosser Reu den Undanck, und Grobheit, so er wider seinen Vatter begangen: deme dann zur Buß auferlegt worden, daß er durch die gantze Landschaft, in welcher sich diese Geschicht zugetragen, herum ziehen, und sein Lasterthat jedermänniglich erzählen solte; damit alle Kinder lerneten, hinfüran ihren Elteren grössere Lieb und Ehr zu erweisen: welche Buß er auch etliche Jahr nach einander verricht hat. Ob er aber endlich dieses Spottes, und der Marter abkommen, davon thut derjenige, so dise Geschicht geschriben, keine Meldung. Cantiprat. l. 2. Ap. c. 7


O wie recht hat GOtt den Undanck, und Grobheit dieses Sohns mit einer abscheulichen Kroten gestraft![65] anzuzeigen, daß nichts abscheulichers seye, als der Undanck der Kindern gegen denen Elteren. Um GOttes willen! was lassen sich die Elteren nicht kosten, ihren Kindern die nothwendige Nahrung und Kleider zu schaffen? wie vil Sinn und Sorgen haben sie nicht? wie manche Nacht bringen sie ohne Schlaf zu? Wann es hernach die Kinder doch nicht erkennen, O wie wehe thuts den Eltern! aber seyen solche undanckbare Kinder versichert, daß sie mit der Zeit von GOtt hart werden gestrafft werden. Er sihet ein Zeitlang zu; aber hernach kommt er nur desto schärffer.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 64-66.
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