Zwölftes Exempel.

Der Geist eines verstorbenen Schul-Meisters trohet zweyen muthwilligen Schul-Knaben mit einer feurigen Ruthen.

[66] Es waren zwey freche, und muthwillige Schul-Knaben, die nicht allein gegen ihrem Schul-Meister sich widerspenstig erzeigten, noch die wohlverdiente Straf annehmen wolten; sondern noch darzu durch ihr böses Exempel andere Schul-Kinder verführten, und zu allem Muthwillen anreitzten. Es ermahnte sie zwar der Schul-Meister; er trohete ihnen: aber alles umsonst. Nun was geschieht? Es stunde nicht lang an, da starbe der Schul-Meister. Wenig Tag nach dessen Tod kame sein Geist in die Schul, da die Schul-Kinder eben beysammen waren. Er erschine eben in der Gestalt, die er bey Leb-Zeiten gehabt: hielte aber in der Hand ein feurige Ruthen. Wie er sich nun mitten in die Schul gestellt, sahe er mit ernsthaften Gesicht bald auf die rechte, bald auf die lincke Seiten. Und nachdem er denen Schul-Kindern einen ungemeinen Schrecken eingejagt, wendete er sich endlich zu den gedachten zweyen muthwilligen Schul-Knaben; gienge mit der feurigen Ruthen auf sie zu, und thate dergleichen, als wolte er sie darmit hauen. Auf welches hin er zwar verschwunden, in denen zwey muthwilligen Schul-Knaben aber einen solchen Schrecken hinterlassen, daß sie von Sinnen kommen, gewütet und getobet, und in solchem Stand elendiglich dahin gestorben. Cantiparat. l. 2. Ap. c. 16.


Da sollen die Schul-Kinder aus diesem traurigen Exempel lernen, wie sie sich gegen ihrem Schul-Meister (der ihnen an statt der Eltern gesetzt ist) nicht widerspenstig erzeigen sollen, wann sie ihm wegen ihres üblens Verhaltens Ursach geben, sie darum mit der Ruthen zu züchtigen; damit GOtt nicht Ursach habe,[66] sie in der anderen Welt mit einer noch schärffern Ruthen zu straffen. Das Böse muß einmahl gestraft seyn; damit sich andere darvor hüten.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 66-67.
Lizenz:
Kategorien: