Dreyzendes Exempel.

Ein Student stirbt unseelig: weil er die Vor-Bothen des Tods nicht in Acht genommen.

[67] Es war ein Student von adelichen Eltern gebohren. Dieser lage nicht allein dem Studiren fleissig ob; sondern nahme auch in der Tugend, und guten Sitten also zu zu, daß ihm die zeitliche Ding verleydeten, und er allein dem Ewigen nachsinnete. Es kümmerte ihn nichts mehrers, als dieses: es möchte ihn villeicht der Tod einstens übereilen, ehe und bevor er sich zum Sterben recht bereitet hätte; wo er dann die ewige Seeligkeit verschertzen könte. Dessentwegen batte er GOtt Tag und Nacht, er wolte ihn doch nicht sterben lassen, er hätte ihm dann vorher die Stund des Tods zu wissen gethan. Was geschieht? Es erscheint ihm der Heil. Schutz-Engel, und sagt ihm: wie daß GOtt endlich sein Gebett erhört hätte; dann er werde nicht sterben, es hätten ihn dann vor seinem Tod drey unterschidliche Vorbothen gemahnet. Solle also nur zusehen, daß er diese nicht verachte. Dises geredt, verschwande der Engel aus seinen Augen. Wer ware fröher, als diser Student? dann er dachte bey sich selbst also: jetzt kan es mir nicht fehlen: der Tod kan mich nicht übereilen, wie andere: und also kan ich nicht unbereit sterben. Aber eben dieses diente zu seinem Untergang. Dann weilen er sich so sicher zu seyn glaubte, daß es ihm nicht fehlen könte, er möchte auch leben, wie er wolte, so geschahe es in kurtzer Zeit, daß er nicht allein in der Sorg für seine Seeligkeit schläfferig wurde; sondern allgemach mit liederlichen Studenten Gesellschaft machte, durch welche er also verführt worden, daß er alle Zucht und Scham verlohren, und von einem Laster in das andere gefallen. Es mahnten ihn zwar die Elteren; es sprachen ihm zu die Verwandte; es warneten ihn die Obere. Aber alles umsonst. Dann er fertigte sie jederzeit mit dieser Antwort ab: sie solten seinetwegen unbekümmert seyn; dann es seye noch Zeit genug, das Leben zu besseren. Er seye versichert, daß er nicht unbereit sterben wurde; dann GOtt werde ihm vor dem Tod drey Bothen schicken, die ihn mahnen werden, er solle sich zum Sterben bereiten. Also verschobe er die Buß und Besserung des Lebens von Tag zu Tag, und verliesse sich auf die Zusag des Schutz-Engels. Aber sehet, [67] wie wunderbarlich er zu unterschidlichen Zeiten von GOtt gemahnet worden. Dann als er einstens durch einen Wald ritte, da fiele er unter einen Hauffen der Mörder, die mit blossen Degen auf ihn zugiengen; hat auch wenig gefehlt, er wäre von ihnen erstochen worden, wann er sich nicht tapfer gewehrt, und mit Ansporrung des Pferds aus ihren Händen gerissen: wie wohl er nicht wenig Wunden davon getragen. Das ware nun der erste Both, den GOtt diesem Studenten geschickt, sich zum Sterben zu bereiten; nemlich die äusserste Gefahr von den Mördern umgebracht zu werden. Allein der Unglückseelige wolte es nicht erkennen. Darum fuhre er in seinem Luder-Leben fort, wie zuvor. So mahnte ihn dann GOtt das anderemahl auf eine andere Weis. Es begab sich nemlich der Student auf eine Zeit mit seinen Cammeraden zu Schiff auf das Meer. Als sie nun auf disem eine Zeitlang mit gutem Wind und Segel fortgefahren; sihe! da ward der Himmel gähling mit schwartzen Wolcken überzogen, aus welchen Blitz und Donner-Keil fuhren: worauf sich ein solcher Sturm und Ungewitter erhebt, daß alle, so sich im Schif befunden, nichts anders, als den augenscheinlichen Untergang erwartet, und dessentwegen den Himmel um Hülf und Gnad angeruffen. Es war ihnen aber der Himmel so günstig, daß das tobende Meer wiederum gestillet worden, und alle, so im Schif waren, glücklich an das Land kommen. Diese Gefahr nun auf dem Meer war der andere Vorboth, so den Studenten mahnte, er solte sich zum Tod bereiten. Allein auch diesem gabe er kein Gehör, und kehrte sich im geringsten nicht daran. Ware also nichts übrig, als daß ihm GOtt den dritten Vorbothen schickte; und das war ein schwere Krankheit, welche in kurtzem also zugenommen, daß die Artzten dem Kranken das Leben abgesprochen. Es ermahnten ihn derohalben theils seine Eltern; theils der Pfarrer des Orts sagend: jetzt seye es einmahl Zeit, auf das Heyl der Seelen zu gedencken; dann es werde nicht mehr lang anstehen, so werde er sich in der Ewigkeit befinden: solle also bey Zeiten ein reumüthige Beicht ablegen, und durch Empfahung der letzten Weegzebrung sich zu einem guten Tod bereiten. Es gabe aber der Krancke zur Antwort: es seye nicht an dem, daß er sterben werde; dann der Heil. Schutz-Engel werde ihn schon mahnen, wann es Zeit seye: man solle also ohne Sorg seyn. Unterdessen da der Tod immerdar näher herbey ruckte, erschine dem Kranken der Heil. Schutz-Engel; sagte aber zu ihm nichts anders, als dieses: Krancker! es wird bald mit dir aus seyn. Wie der Kranke das gehört, beklagte er sich wider den Heil. Schutz-Engel mit disen Worten: was ist das mein Schutz-Engel? hast du mir nicht versprochen, es werden mich drey unterschidliche Vorbothē mahnen, [68] ehe ich sterben werde, wo ist dein Treu? wo seynd die Vorbothen, auf welche ich gewartet? O wie bin ich von dir hinter das Liecht geführt worden! dann ich spühre wohl, daß es bald mit mir werde aus seyn. Auf diese Klag thate sich der Heil. Schutz-Engel mit dieser Antwort rechtfertigen: wie kanst du dich wider mich beklagen, als hätte ich mein Versprechen nicht gehalten? hast du dich nicht zum Tod bereiten sollen, erstlich? da du unter die Mörder gefallen? andertens: da du auf dem Meer die augenscheinliche Gefahr zu ertrincken vor dir gesehen; und jetzt das dritte mahl, da du mit einer schweren Kranckheit überfallen worden, und zwar also, daß dir die Artzten das Leben abgesprochen; waren das nicht solche Vorbothen, welche dich genug ermahnet haben, du sollest dich zum Tod breiten! ist also nicht mein, sondern deine Schuld, daß du die Buß und Besserung des Lebens bis daher verschoben, da dir die Seel schon auf der Zungen ligt. Solches geredt, verschwande der Heil. Schutz-Engel; der Krancke aber, nachdem er solche Erscheinung und Antwort des Heil. Schutz-Engels denen Umstehenden halb tod, und mit gebrochenen Worten erzählet, gabe er ohne Beicht und Buß seinen unseeligen Geist auf. Bidermann S.J. Acroamatum l. 3. Acroam. 2.


O wie vilmahl schickt uns GOtt gleichsam einen Vorbothen des Tods! so oft wir nemlich sehen eine Leich zum Grab tragen, seyen es hernach Junge, oder alte Leut. Dann gleichwie ein Alter nicht lang leben kan; also kan ein Junger bald sterben. Und dannoch, wie wenig kehren wir uns daran! solte uns nun der Tod in solcher Saumseeligkeit überfallen, und wir also unbereit dahin sterben, wem hätten wir die Schuld zu zumessen? Niemand andern, als uns selbsten. Darum wollen wir öfters an jenes Sprich-Wort gedencken: an jenes Sprich-Wort gedencken: Man solle also arbeiten, als wolt man ewig leben; und also leben, als wolte man alle Augenblick sterben.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 67-69.
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