Eilftes Exempel.

Einem Ertz-Bischof, mit Namen Udo, wird von einem Engel das Haupt abgeschlagen, weilen er ohngeachtet seines ärgerlichen Lebens, dannoch hat dörffen das heilige Meß-Opfer halten; und mithin die heilige Hostie unwürdig empfangen.

[166] Udo studierte in seiner Jugend zu Magdeburg, einer Stadt in Sachsen; hatte aber einen so harten Kopf, daß ihm nichts eingehen wollte. Man treschete also leeres Stroh an ihm; mußte auch deßwegen seinen Schul-Gesellen zum Gespött und Gelächter dienen. Das betrübte ihn dann über die Massen. Einstens fiele ihm ein, er sollte seine Zuflucht zum heiligen Gebett nehmen: vielleicht wurde ihm GOtt einen gelernigen Kopf geben. Geht also in die nächste Kirch, so zur Ehr des heiligen Martyrers Moritz geweyht war. Dort wirft er sich vor einem Altar, worauf die Bildnus der Mutter GOttes stunde, auf seine Knye nieder, und bittet sie inständig, sie wolle ihm doch bey ihrem lieben Sohn einen gelernigen Kopf ausbitten, und zuwegen bringen. Wie er nun eine Zeitlang in dem Gebett verharret, da überfiele ihn ein tieffer Schlaf. In diesem erschiene ihm die Mutter GOttes, und sagte. Sihe! ich hab dein Gebett erhört, und dir bey meinem Sohn nicht allein einen gelernigen Verstand ausgebetten, sondern daß du auch mit der Zeit mögest Ertz-Bischof zu Magdeburg werden. Wirst du nun diesem Ertz-Bisthum löblich vorstehen, so wirst du auch den Lohn darfür im Himmel einnehmen. Wo nicht, so wirst du an Leib und Seel zu Grund gehen. Dieses geredt, verschwande die Mutter GOttes; Udo aber erwachte aus dem Schlaf, und fande sich mit solcher Wissenschaft erfüllet, daß er seine Schul-Gesellen weit übertraffe: also daß sich nicht allein diese, sondern auch sein Lehrmeister sehr verwunderten, woher ihm doch gähling eine so hohe Wissenschaft müsse zukommen seyn. Wie gehts weiter? nach 2. Jahren wird er von den Dom-Herren zu Magdeburg mit einhelliger Stimm zu ihrem Ertz-Bischof erwählt; und das in Ansehung seiner auserlesenen Wissenschaft und Tugend. Jedermann hofte, er wurde dem Ertz Bisthum löblich, und mit grossem Nutzen vorstehen; wie er es auch eine Zeitlang gethan hat. Allein (wie es eben mit der Zeit geht) weil er täglich Tafel hielte, und wohl lebte, geschahe es, daß er nicht allein in der Tugend erkaltete, sondern seiner selbst so weit vergasse, daß er sich denen fleischlichen Wollüsten ergabe; ja so gar (O GOttes-Vergessenheit!) mit einer Closter-Frau verbottene Gemeinschaft hatte. Dieses liederliche und ärgerliche Leben triebe [167] er viele Jahr aneinander, bis ihn endlich GOtt auf folgende Weis zur Buß ermahnte. Als er sich einstens zu Nachts bey gedachter Closter-Frau aufhielte, da liesse sich in der Cammer eine Stimm hören, dieses Innhalts: Udo, Udo, höre auf, du hast schon lang mit GOtt gespielet: mißbrauche nicht länger seine Langmüthigkeit. Allein er triebe nur das Gespött aus dieser Stimm, und sagte zu der Closter-Frau, sie solle sich von dieser Stimm nicht schrecken lassen: es seye nichts, als ein Betrügerey, die vom bösen Geist herkomme. Also fuhre er in dem Luder fort auch die anderte, u. dritte darauf folgende Nacht; da sich dann allzeit die vorige Stimm in der Cammer wiederum hören liesse. Allein, er ware schon verstockt, und kehrte sich so wenig daran, als wann es ihn nichts angienge. Was geschihet endlich? nach Verfliessung etlicher Monath begabe sich ein frommer und gottseeliger Dom-Herr bey nächtlicher Weil in die Dom-Kirchen, um alldorten seiner Gewohnheit nach dem heiligen Gebett obzuliegen. Weil er nun behertzigte, daß das Ertz-Bisthum Magdeburg mit einem so ärgerlichen Ertz-Bischof versehen seye, bate er GOtt, er wolle dieser Aergernus abhelffen, entweders durch einen frühzeitigen Tod des Ertz-Bischofs, oder aber ihm bessere Sinn und Gedancken geben, damit er sich bekehre, und forthin ein besseres Exempel von sich gebe. Und sehet! wie er also in dem Gebett begriffen war, da entstunde gähling in der Kirchen ein Sturm-Wind, der alle brinnende Amplen auslöschte. Er erschracke, und wußte nicht, was er gedencken solte. Die Haar stunden ihm gen Berg, und er erwartete in dieser Finsternus, was dann endlich daraus werden wollte. Wie er nun also mit Forcht umgeben war, da sihet er in die Kirch hinein tretten 2. Jüngling mit brinnenden Facklen, die giengen zum hohen Altar hin: und stellte sich einer auf die rechte, der andere aber auf die lincke Seiten des Altars. Nach diesem kamen wiederum 2. andere Jüngling, deren einer einen Teppich vor dem Altar auf den Boden ausbreitete, der andere aber stellte zu beyden Seiten des Altars 2. verguldete Sessel herum. Drauf hin gienge einer mitten durch die Kirch in den Chor hinein, führend in der Hand ein entblöstes Schwerd: und nachdem er sich in die Mitte des Chors gestellt, rufte er mit lauter Stimm: O ihr Heilige GOttes, deren Leiber in dieser Kirch begraben seynd, stehet auf aus eueren Gräberen, und kommet für Gericht. Kaum hatte er diese Stimm von sich hören lassen, da kame aus den Gräberen herfür eine grosse Menge der Heiligen, beyderley Geschlechts. Diese alle giengen in den Chor hinein, und stellten sich zu beyden Seiten des Chors in eine Ordnung. Auf diese tratten in die Kirch hinein die 12. Apostel, und mitten unter ihnen Christus der HErr, glantzend wie die Sonn, und mit einer goldenen Cron auf dem Haupt Vor diesem fielen alle Heilige auf ihre Knye [168] nieder, stunden darnach wiederum auf, und erhebten ihn auf den einten vergoldeten Sessel. Hernach kame auch die Mutter GOttes, glantzend über die Stern, begleitet von einer grossen Schaar heiliger Jungfrauen: vor welcher alle Heilige eine tieffe Reverentz machten, und selbige hernach auf den anderen vergoldeten Sessel erhebten. Letztlich tratte herfür der heilige Martyrer Mauritius mit seinen 6666. Gesellen und Martyrer, die sich alle vor Christo dem HErrn niederwarffen, und ihn mit diesen Worten anredeten: O gerechtester Richter, urtheile nach deiner Gerechtigkeit. Da hiesse sie Christus aufstehen, und sagte: Ich weiß schon, was ihr wollet. Lasset Udonem, den Ertz-Bischof herbey kommen. Gleich auf diesen Befehl giengen einige von den Anwesendē hin, und brachten Udonem aus der Cammer, wo er seiner verbottenen Liebe pflegte, herbey. Diesen sahe der H. Mauritius ernstlich an, und sagte zu Christo: HErr, der du ein gerechter Richter bist: urtheile diesen nach deiner Gerechtigkeit. Dann dieser Udo ist kein Ertz-Bischof, sondern ein Unflat, kein Hirt, sondern ein Wolf. Diesem hat deine Jungfräuliche Mutter zuwegen gebracht einen gelernigen Verstand, damit er einstens dem Ertz-Bisthum Magdeburg nutzlich könnte vorstehen; diesen aber hat er mißbraucht, hat sich dem Wolleben ergeben, und sich so weit verlohren, daß er sich mit einer Closter-Frau versündiget, mit grosser Aergernus des gantzen Ertz-Bisthums. Und wiewohlen du ihn zum drittenmahl durch eine Stimm ermahnet hast, von seinem sündigen und ärgerlichen Leben abzustehen; so hat er dannoch diese Stimm und Ermahnung in Wind geschlagen. Also fälle über ihn das Urthel, gerechtester Richter! auf diese Anklag sagte Christus zu den umstehenden Heiligen: Was gedunckt euch von diesem Beklagten? Hierauf sagten alle Heilige, HErr! er hat den Tod verschuldet. Auf diesen Sententz befahl derjenige, so mit dem entblößten Schwerdt in die Kirchē getretten, Udo solle herfür tretten, und den Hals herstrecken. Als Udo das gethan, und jener den Streich führen wollte, ihme den Kopf abzuschlagen, da rufte ein anderer, Halte inn, dann wir müssen vorher von ihm nehmen die heilige Hostien, die er so oft unwürdig, da er das Meß-Opfer hielte, genossen hat. Hierauf hielte ihm einer vor den Mund einen goldenen Kelch, ein anderer aber schlug ihn etlichmahl mit der Faust auf das Genick, mit solchem Gewalt, daß auf einen jeden Streich eine Heil. Hostie aus dem Mund heraus, und in den Kelch sprange; welche dann samt dem Kelch mit grosser Ehrenbiethung zum Altar getragen worden. Letztlich war Udoni auf einen Streich das Haupt abgeschlagen: worauf alle Anwesende verschwunden. Der fromme Dom-Herr, so diesem traurigen Spectacul zugesehen, fande unverhoft [169] in der Sacristey noch ein Liecht. Mit diesem gienge er zum Altar hin zu sehen, ob dises alles etwann nur ein Traum; oder ein wahre Geschicht gewesen. Und sehet! er findet die aus Udonis Mund heraus gesprungene Hostien in einem Kelch auf dem Altar: den Leib Udonis aber auf der Erden ligend mit abgeschlagenem Haupt, von dessen Blut der gantze Boden besprengt war. Da schrye er dann auf: O trauriges Spectacul! O erschreckliches Gericht GOttes! O wie entsetzlich ist es, fallen in die Händ des lebendigen GOttes! dann die er lang gedultig übertragen hat, die straft er mit der Zeit nur desto schärffer. Darauf hin gienge er aus der Kirch nacher Haus, nachdem er die Kirchen-Thür hinter sich wohl verschlossen hatte. So bald der Tag angebrochen, gienge er zu denen andederen Dom-Herren, und erzählte ihnen den gantzen Verlauf der Sach: batte sie auch zugleich, sie wolten mit ihm der Kirchen zugehen, und den Augenschein auch selbst einnehmen. Das thaten sie auch, und sihe! als sie in die Kirchen, und für den hohen Altar kommen, fanden sie wahrhaftig ihren Ertz-Bischof mit abgeschlagenem Haupt auf der Erden ligend, und in seinem Blut schwimmend. Was für ein Forcht und Schrecken bey den Zusehenden werde entstanden seyn, ist leicht zu gedencken. Ein jeder entsetzte sich über das erschröckliche Urtheil GOttes, und dessen Vollziehung: ist auch kein Zweifel, ein jeder werde mit dem David aufgeruffen haben: HErr du bist gerecht? und dein Urtheil ist auch gerecht. Psal. 118. Bredenbach Collation. Sacrar. L. 8. c. 15.


Wie förchtig seynd nicht alle Umständ dieser Geschicht! und wie erhellet daraus die Wahrheit jenes erschröcklichen Spruchs, den der Heil. Paulus gethan hat. 1. Corinth. 11. von denen, so unwürdig die H. Hostie geniessen! wer unwürdiglich isset (nemlich das Brod der Englen; den Leib des HErren in der Heil. Communion) der isset ihm selbst das Gericht. Das hat erfahren der unglückseelige Udo. Er hat das blutige Urtheil seiner Enthauptung wider sich selbst geschriben: und mit disem Urtheil das Urtheil der ewigen Verdammnuß. Jetzt heißt es: So vil er der Gelüsten genossen hat, so vil thut ihm Peyn und Qual an. Apoc. 18. Das ist das End aller deren, so mit GOtt spilen därffen.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 166-170.
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