Sechszehentes Exempel.

Ein ungerechter Wucherer wird 3. Täg vor seinem Tod in die Höll geführet, und ihm dort sein bestimmter Sitz gezeigt.

[183] Im Jahr Christi, 1219. lebte ein reicher Baur, mithin aber ein Ertz-Wucherer. Als dieser einstens bey nächtlicher Weil ungeschlaffen in dem Beth sich von einer Seiten auf die andere kehrte, und mit seinen wucherischen Gedancken umgienge, hörte er, daß alle Räder in einer Mühle (die zu nächst bey seinem Haus stunde, und ihm zugehörte) wären lauffend worden. Auf dieses hin rufte er gleich seinem Knecht, und befahle ihm, hin zu gehen, und zu sehen, wo es fehle. Der Knecht gehet; ware aber bald wieder da, gantz ertattert, und erbleicht im Angesicht, mit Vermelden, wann ihm sein Meister, der Baur schon 100. Thaler versprechen thäte, wolte er nicht einmahl mehr dahin gehen; also wütet und tobet es in der Mühle als wann alle Teufel darinn wären. Der Baur spottete nur des Knechts, als eines forchtsamen Haasens; stunde selber auf und gienge in die Mühle hinein. Er hatte aber die Thür kaum eröfnet, da traffe er 2. Kohl-schwartze Pferd, und einen Mohren darbey an. Der Mohr ergriffe ihn bey der Hand, und befahle ihm mit ernsthaftem Angesicht und Trohworten, alsobald aufzusitzen, und mit ihme zu reiten. Was wollte der Baur thun? er mußte eben aufsitzen; und siehe! er kam in Begleitung des Mohren in kurtzer Zeit für die Pforten der Höllen. Als er nun in den tieffen Abgrund hinab sahe, erblicket er dort seinen verstorbenen Vatter und Mutter; zwischen ihnen aber einen leeren feurigen Stuhl. Worauf sich der Mohr zu dem Baur wendete, und sagte: Besihe dieses Orth nur wohl; dann es wartet auf dich. Kehre aber jetzt hin, wo du her gekommen; nach 3. Tägen wirst du sterben müssen, und da sitzen in alle Ewigkeit. Darauf ward der Baur durch unsichtbaren Gewalt wiederum in die Mühle geliefert, wo ihn sein Weib des andern Tags halb todt angetroffen, und heim tragen lassen. Nachdem er nun alles erzählt, wie es ihm ergangen, wurde sein Pfarrer herzu geruffen, welcher nach angehörter Erzählung dem Bauren ernstlich zusprache, zu beichten, und sich zu bekehren, mit Vermelden: wie daß dieses nur eine Trohung geweßt wäre, unter der Bedingnuß: nemlich, wann er nicht wurde Buß thun; von ungerechtem Wucher ablassen, und das fremde Gut heimb stellen, habe er freylich nichts anders zu gewarten, als die ewige Verdammnuß, und anderst nicht. Dann GOtt seye barmhertzig, und wolle nicht den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre [184] und lebe. Es seye noch Zeit, solle also diese nur nicht versaumen. Allein alles dieses Zusprechen war umsonst. Der Baur bliebe verstockt in seinen Sünden, vorwendend, es seye schon verhaußt, und nicht mehr zu helffen. Und in solcher Verzweiflung verharrete er 3. Täg; nach welchen er seine vermaledeyte Seel ausgespyen, und den ihme in denen höllischen Flammen bestimmten Sitz bezogen hat. Cæsar. Heisterbac. l. 2. Mirac. c. 7.


Das tragt zuletzt der ungerechte Wucher ein. Das ist aller ungerechter Wucherer Gewinn, daß sie von GOtt in dem Todt-Beth verlassen werden; folgends in der Verzweiflung dahin sterben, und dem Teufel zufahren. O blinde Leut! thut einmahl die Augen auf, schauet in den Abgrund der Höllen hinunter; höret was eures gleichens Wucherer für ein Klag führen: Verflucht, seye das Geld und Gut, das uns in dieses Feur gestürtzt hat! verflucht die Händ, welche solches Gelt eingenommen, verflucht die Truchen und Kästen, in welche es versperret worden! was haben wir jetzt darvon? nichts als Feur-Flammen, brennenden Schwefel und Pech, wütigen Hunger und Durst, äusserste Armuth, und ein ewiges Elend. Ach wie verblendet waren wir! aber was hilft jetzt uns dieses Klagen? verlohren seynd wir, verzweifelt seynd wir, verflucht seynd wir. Wehe uns derohalben! wehe uns in alle Ewigkeit! Ungerechter Wucherer, kanst du solches Klagen anhören, und im Wucheren dannoch fortfahren? so must du dich auch entschliessen können, immer und ewig mit deines gleichen in dem höllischen Feur zu brinnen und zu braten. Aber besinne dich vorher, was du dem Propheten Isaias auf folgende Frag am 33. Cap. wollest zur Antwort geben: Wer ist unter euch, der bey einem zehrenden Feur wohnen kan? welcher unter euch wird bey der ewigen Glut bleiben mögen?

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 183-185.
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