Acht und dreyßigstes Exempel.

Vil Erben aus einem gräflichen Geschlecht steigen nach dem Tod auf einer feurigen Leiter in die Höll hinunter.

[251] Es ware ein teutscher Graf; der führte dem äusserlichen Schein nach ein auferbäuliches Leben, welches er auch (wie man glaubte) mit einem guten Tod beschlosse. Aber die Sach verhielte sich gantz anderst. Dann als einsmahls ein frommer Geistlicher für ihn bettete, eröfnete sich vor ihm die Erden; und er sahe in einen tieffen finsteren Abgrund hinab, woraus Rauch und Feuer-Funcken schlugen. Mitten aus den Flammen wurde er gewahr einer bis auf den Ranft herauf angelehnten Leiter, auf deren Staffel vil aus dem Geschlecht dieses Grafens einer nach dem anderen hinabgestigen, also daß der ältiste aus ihnen auf dem untersten; der jüngst-verstorbene aber auf dem obersten stunde. Wie er nun heftig ab diesem Gesicht erschrocken, und die Ursach solcher Peyn von GOtt zu wissen verlangte, hörte er ein Stimm, die ihm sagte: es geschehe solches zur Straf dieses Geschlechts wegen eines geistlichen Kirchen-Guts, so einer der Uran-Herren zu Metz in Lothringen, St. Stephan unbillicher Weis entzogen, und auf seine Erben nunmehr bis auf das 10te Glied gebracht hätte. Weilen derohalben die Erben um den gantzen Handel wohl gewußt, oder hätten wissen können, wann sie nur hätten nachfragen wollen; und dannoch keiner aus ihnen solches Gut zuruck gestellt, darum wären alle verdammt, und mache jedesmahl einer dem anderen Platz auf der Leiter, daß er möge hinnach steigen, so oft einer aus diesem Geschlecht stirbt. Worauf das gantze Gesicht verschwunden. Baronius Tom. 11. ad Annum Christi 1055.


Wem solle hie nicht in Sinn kommen der ernsthafte Spruch Christi bey dem Heil. Lucas am 18. Cap. O wie schwärlich kommen, die wohl bey Geld-Mittlen seynd, in das Reich GOttes! und wiederum: leichter wird ein Cameel durch ein Nadelloch gehen, als ein Reicher in Himmel. Uber welche Wort der Heil. Bernard diesen denckwürdigen Spruch hat: Das Cameel-Thier hat nur einen Buckel, der es beschwärt; der Reiche aber zwey: und also ein grössere Burde: eine voll der zeitlichen Güter; die andere voller Sünden. Die erste Burde wird im Tod abgelegt; die andere (er wolle, oder nicht) muß [251] er behalten; und wird davon in die Höll hinunter gedruckt, wann er sie nicht vor seinem End noch ablegt.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 251-252.
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