Neun und dreyßigstes Exempel.

Ein Wucherer will aus Lieb wegen seinem Weib und Kindern ehender verdammt werden, als den ungerechten Gewinn heimstellen.

[252] Es war ein Wucherer der in dem Tod-Beth einen Pater aus dem Franciscaner-Orden zu sich beruffen, und zu besserer Abfahrt eine reumüthige Beicht bey ihm abgelegt hat. Der Pater (wie es dann seyn mußte) ermahnte den Krancken seiner Schuldigkeit: wie er nemlich müßte allen ungerechten Gewinn, den er durch Wucher erworben, denen jenigen heimstellen, so dardurch bebeschädiget worden. Der Krancke, so schwer es ihn ankame, liesse einen geschwornen Schreiber beruffen, und ein förmliche Schrift aufsetzen, Kraft welcher seine Erben, Weib und Kinder solten schuldig seyn, an statt seiner den ungerechten Wucher heimzustellen. Worauf ihm der Pater die Heil. Absolution ertheilt, und wiederum nach Haus gangen. Das Weib, nach verstandener Sach, kame samt allen Kinderen für das Beth: fienge ein erbärmliches Weinen und Klagen an: ach mein Mann, (sagte sie) wo gedenckst du doch hin, daß du dir ein so schwere Burde auflegest, und die jenige, die du bey Lebs-Zeiten so inniglich geliebt hast, erst nach deinem Tod in Schand und Spott stürtzen woltest? wann wir alles wieder zuruck geben solten, worzu dich der Beicht-Vatter verbunden, was wurde uns von aller Verlassenschaft überbleiben? das wäre ja nicht anders; als deinen liebsten Theil, dein eigen Fleisch und Blut an Bettel stossen? ach! so bitte ich dann dich samt deinen und meinen Kinderen durch alles, was dir lieb ist, du wollest dich doch eines Besseren bedencken, und deinen letzten Willen änderen. Was vermag die Lieb nicht? was erhalt ein Weib nicht? wann sie mit Zäheren aufgezogen kommt? der bethörte Krancke, von so kläglicher Gestalt der Seinigen bewegt, liesse die vorige Schrift durchstreichen, und eine neue aufsetzen, worinn er all sein Geld und Gut seinem Weib und Kinderen verschaffte, und nicht die geringste Meldung von einer Heimstellung thate. Als nun der Pater wieder zuruck gekehrt, zu sehen, wie es um seinen Krancken stunde, und dessen, was in seiner Abwesenheit vorbey gangen, verständiget worden, brache er voll göttlichen Eyfers in folgende Wort aus: weil du dein billiches[252] Vorhaben verändert, so wiederruffe ich auch die dir ertheilte Absolution. Er wolte mit diesen Worten so vil sagen: daß ihm die empfangene Absolution, wegen des von neuem gefaßten sündhaften Willens, nicht heimzustellen, was er schuldig war, nichts nutzen wurde zum Seelen-Heyl. Kaum hatte der Pater solches ausgeredt, sihe da floge ein schwartzer Raab zum Fenster herein (oder vilmehr) ein böser Geist in dieses Vogels Gestalt) der die allbereit ausfahrende Seel des verdammten Wucherers in den Schnabel aufgefangen, und in die Höll getragen hat. Chronica Minorum S. Francisci P. 3. l. 5. c. 2.


Was für ein entsetzliche Thorheit um Weib und Kinder willen ewig wollen verdammt seyn; nur, damit man sie nicht betrübe! O du unglückseeliger! was hast du anjetzo von ihnen zu hoffen? werden sie dir helffen? werden sie dich trösten können? seynd sie in einem Stand, wie du gestorben, so dienen sie dir nur zur Vermehrung deiner Peyn. O wie wirst du anjetzo sie; und im Gegentheil sie dich verfluchen! lassen ihnen das alle, die da Weib und Kinder haben, zu einer Warnung dienen. Tragen sie zu ihnen eine solche Lieb, daß sie sich beynebens nicht selbsten in das ewige Verderben stürtzen. Das eigene Heyl gehet allen vor.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 252-253.
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