Sieben und viertzigstes Exempel.

Ein Bedienter wünscht im Todbeth, daß er mehr GOtt, als seinem Herrn auf Erden gedient hätte.

[287] Es war ein gewisser Bedienter, der einem Marggrafen viel Jahr fleißig, und treulich gedienet hatte: weswegen er auch von seinem Herrn inniglich geliebt wurde. Als er auf eine Zeit erkrancket, suchte ihn sein Herr heim, und bezeigte gegen ihm grosses Mitleiden, sagend: »Mein guter Mensch! wie bedaurest du mich, daß ich dich in solchem Zustand sehen muß! du weißt, was grosse Lieb ich allzeit gegen dir getragen, wegen denen treuen Diensten, die du mir so lange Jahr her geleistet hast. O! Könte ich dir helfen, wie gern wollt ich es thun! sage mir nur, was du vonnöthen habest, ich will keine Unkösten sparen.« Wie der Bediente das gehört, sagte er: »mein Herr! wann ihr je meine treue Dienst belohnen wollet, so verschaffet, daß ich entweders nicht jetzt sterben müsse; oder eine Stund lang von meinen Schmertzen befreyet werde; oder, wann ich je verscheiden sollte, in der anderen Welt eine eintzige Nacht eine, gute Herberg habe.« Der Herr antwortete: »mein guter Mensch! das seynd Sachen, die nicht in meinem, sondern GOttes Gewalt stehen. Begehre etwas, das in meinem Vermögen ist, so will ich thun, was ich kan.« Als der Krancke diese Entschuldigung gehört, kehrte er sich zu zu denen, die um sein Beth herum stunden, fienge an bitterlich zu weinen, und sagte! »O ihr gute Freund! wie übel seynd meine Dienst angelegt worden! dann sehet! ich kan von meinem Herrn nichts erhalten von allem dem, was ich von ihm begehrt hab. Darum rathe ich euch, daß ihr ab meiner Thorheit witziger werdet, und dem jenigen HErrn dienet, der euch nicht allein von Schmertzen befreyen, sondern auch mit ewiger Freud belohnen kan. Wer ist aber dieser anderst als unser lieber HErr GOtt? O köntet ihr mir durch euer Gebett das Leben erlängeren, mit was Eifer wollte ich ihm dienen! allein, das ist mehr zu wünschen, als zu hoffen. Aufs wenigst bedaure ich in meiner Seel, daß ich ihm so hinläßig gedient hab. Diese Reu und Leid hoffe ich, werde meine Hinläßigkeit ersetzen.« Dieses geredt, gabe er bald darauf seinen Geist auf nicht ohne Auferbauung deren, so um sein Beth herum stunden. Belvacensis in speculo morali.


Was dieser Bediente in seiner Kranckheit gewunschen, das soll man thun, weil man noch gesund ist; und öfters jenen Spruch des gottseligen Thomä von Kempis zu Gemüth führen: daß nemlich alles auf Erden [288] eine lautere Eitelkeit seye; ausser GOtt lieben, und ihm allein dienen. O was Trost bringt dieses einem Sterbenden! und mit was Hofnung erwartet er die ewige Belohnung!

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 287-289.
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