Eilfte Begebenheit.

Ein grosser Sünder wird durch einen eintzigen Anblick Mariä auf einmahl bekehrt.

[432] Dieser ware in allerhand Gattungen der Sünden so vertieft, daß man hätte glauben mögen, er hätte sowohl seiner selbst, als seines Schöpfers gäntzlich vergessen. Seine gantze Andacht bestunde in einem eintzigen Englischen Gruß, den er täglich zu betten pflegte. Als er einstens bey nächtlicher Weil tieffer in den Sünden, als in den Federen gleichsam begraben lage, erscheint ihm Maria, die Mutter GOttes im Schlaf, und giebt ihm einen eintzigen gnädigen Anblick, worauf sie alsobald verschwunden. Nachdem er erwachet, ware ihm nicht anderst, als hätte er ein neues Hertz, welches nunmehr zu allem Guten sich geneigt befande. Seine Gedächtnuß ward auf einmahl also erleuchtet, daß er alle seine Sünden gleichsam vor sich sahe, als hätte er sie kurtz vorher begangen. Er wolte gern in die Kirchen gehen, und beichten; die Schwachheit aber, die ihm zugestossen, wolte es nicht zulassen. Deswegen begehrte er zu sich einen Pater aus der Gesellschaft JEsu, Willens, seine Sünden von Jugend auf zu beichten. Der Pater wolte eine Zeit lang verziehen, auf daß der Sünder sich besser auf eine so lange Beicht besinnen möchte. Dieser aber sagte, wie daß er durch Beyhilf Mariä also bereitet wäre, daß er keines Aufschubs vonnöthen hätte. Und dem ware auch in der Wahrheit also. Dann er hatte sein Beicht so ordentlich, nach der Gattung, und Zahl der Sünden eingerichtet, als hätte er lange Zeit darauf gedenckt. So liesse er auch beynebens einen solchen Schmertzen spühren, und so häufige Zäher rinnen, daß der Beicht-Vatter ihn zu absolvieren kein Bedencken truge. Er versprache auch, wann ihm GOtt das Leben verlängern wurde, wolte er in einen geistlichen Orden tretten. GOTT aber nahme den guten Willen fürs Werck an, und berufte ihn den 5. Tag hernach aus diesem zu dem ewigen Leben ab. Nierembergius S.J. in Trophæo Mariano l. 4. c. 37.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 432-433.
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