Zwölfte Begebenheit.

Ein Jüngling wird durch beständige Andacht zu unser lieben Frauen zur Besserung seines liederlichen Lebens gebracht.

[433] Dieser ware von adelichen Geschlecht; ist aber durch böse Gesellschaft also verführt worden, daß er das mehriste von seinem Erbtheil mit Spielen, Trincken, und anderem Muthwillen verzehrt; doch aber [433] wider die Keuschheit niemahlen etwas zugelassen. Sein Herr Vetter sprache ihm auf eine Zeit ernstlich zu mit diesen Worten: Schäme dich, daß du den Adel deines Geschlechts mit so liederlichen Leben befleckest. Wann du nun wollest, köntest du zu grossen Ehren und Glückstand kommen. Allein der Jüngling lachte nur darüber, als über ein Kinder-Schröcken. Darauf sagte sein Herr Vetter: Weil ich doch siehe, daß du ein leichtsinniges Gemüth hast, so thue mir wenigst nur eines zum Gefallen. Was dann (fragte der Jüngling) bette nur alle Tag (antwortete sein Herr Vetter) 50. Ave Maria. O! (sagte der Jüngling) wann ich alle Tag nur eines mit Andacht sprechen wurde; solte das nicht genug seyn? Ey (fuhre sein Herr Vetter fort) setze die andere auch hinzu, auf daß dich Maria in ihren Schutz nehme. So sey es dann (sagte der Jüngling) es solle auch hiemit versprochen seyn: ich will es thun. Ueber ein Jahr fragte ihn sein Herr Vetter: Wie ist es? bist du deinem Versprechen nachkommen? Ja (antwortete der Jüngling) und ich wolte nicht, daß ich es unterlassen hätte: dieweil ich anjetzo bey weiten nicht mehr zu dem liederlichen Leben, wie vor diesem, geneigt bin. Das andere Jahr ward der Jüngling also gebessert, daß sein Herr Vetter vor Freuden aufschrie: gebenedeyet seye die Mutter der Barmhertzigkeit, welche dich in ihren Schutz aufgenommen, und zu einem besseren Leben hat angetrieben. Siehe! wie glückselig bist du: dieweil du meinem so heilsamen Rath gefolget hast. Als nun bald darauf der Jüngling, mit Rath und Hilf seines Herrn Vetteren, sich mit einer adelichen Fräulein versprochen; die Hochzeit angestellt, und bey der Mahlzeit alles in Freuden war, erinnerte sich der Hochzeiter, wie daß er selbigen Tag den Rosenkrantz noch nicht gebettet hätte; stehet also (mit vorgehender höflichen Entschuldigung gegen den Gästen) vom Tisch auf; begiebt sich in ein Neben Zimmer, und fangt an zu betten. Da erscheint ihm die Königin der Jungfrauen mit herrlichen Glantz in einem Kleid, in welchem 100. und 50. Ave Maria (so viel nemlich einen gantzen Psalter ausmachen) eingestickt waren, und spricht zu ihm: Siehe, wie ich mir gefal len lasse jene Ehr, die du mir durch dein Gebett erzeigt hast. Du hast zwar eine geraume Zeit deines Lebens in allerhand Muthwillen zugebracht; jedoch weil du die Jungfrauschaft niemahlen befleckt, so zeige ich dir aus mütterlicher Liebe an, daß du alsobald von einem Fieber werdest angefallen, und über den dritten Tag, als eine Jungfrau zu mir gelangen; wie dann auch geschehen. Die Fräulein Hochzeiterin aber ist durch diese Begebenheit dergestalten bewegt worden, daß auch sie (der Jungfräulichen Mutter GOttes zu gefallen) die Jungfrauschaft gehalten, und ihrem [434] Bräutigam gottseliglich zur ewigen Belohnung (wie zu hoffen) nachgefolget ist. Alanus Ord. Prædic. l. de Rosario. c. 55.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 433-435.
Lizenz:
Kategorien: