Vierte Begebenheit.

Einen alten, zugleich aber fromm- und einfältigen Schifmann erhalten die heilige Engel in einem auf dem Meer entstandenen Ungewitter, daß er nicht zu Grund gangen; sondern an dem Gestatt, wohin sein Schiffahrt gerichtet war, angeländet ist.

[609] Dieser ware noch ein angehender Neuling mit Namen Valgius, den man in Christlichen Hauptstucken unterrichten mußte, damit er mit nächstem möchte getauft werden, gähling bekame er Befehl von Honorio dem Kayser in Occident, daß er zu Winters-Zeit bey gar schlimmen Wetter samt anderen Schifleuten aus der Insul Sardinia nach Welschland Getreid solte helfen überführen. Die Schif waren nicht weit mehr vom Land, als gähling ein Ungewitter sie von einander zerstreuet, und eines da, das ander dorthin geworfen hat. Viel giengen zu Grund. Das Schif, darin sich Valgius befande, geriethe auch dahin in Gefahr. Weswegen seine Schif. Gefährten sich in kleine Schiflein aus dem Last-Schif begeben, [609] und in solchen das Land zu erreichen getrachtet haben. Bey nebens vergassen sie des Valgii, der zu unterst des Schifs mit Wasser-ausschöpfen beschäftiget ware. Unterdessen nahme das Schlagen der Wellen, und Walcken des Schifs je länger je mehr zu, also daß Valgius herfür kroche, zu sehen, wie es mit seinen Schif-Gefährten stunde; traffe aber keinen Menschen mehr an, wo er dann anderst nicht meinte, als es wäre mit ihm geschehen, und daß er bald ein Speis der Wallfischen werden wurde. In solcher Angst und Schröcken des Tods wurde er sechs gantzer Täg, und Nächt samt dem Schif auf dem Meer hin und her geworfen; hatte doch von denen, die ihn im Christlichen Glauben unterwisen hatten, schon so viel erlernet, daß man in äusserster Noth bey Christo, und den heiligen Englen Hülf suchen solte. Diesen befahlen er sich dann auch auf das innbrünstige an. Und siehe! da er weiter nicht, als zwey Finger breit von dem Tod und Wellen runge. Stellte sich Christus samt einer Schaar der Englen auf dem Schifein; tröstete ihn; gabe ihm Speis und Tranck, mit vermelden, daß er bald das Land erreichen wurde; doch wäre vonnöthen, daß er den Segelbaum abhackte; welches Valgius auch thate. Bald mußte er das Schif so, bald anderst wenden; jetzt das Wasser ausschöpfen; jetzt ein andere Arbeit verrichten, wobey ihme doch die heilige Engel Gesellschaft leisteten. Wann nun der gute Alte vor Mattigkeit dahin zu schlaffen begunte, nahme ihn Christus auf seine Schooß, und in die Arm; wann es wiederum Zeit zu ruderen war, weckte er ihn auf. Ein andersmahl unterrichtete er ihn in Glaubens-Sachen, schöpfte ihm einen neuen Namen, und nennte ihn Victor. Der gute fromme Valgius liesse mit ihm umgehen, wie es dem Schif-Patron, Christo gefällig ware; brachte auf solche Weis drey und zwantzig Täg auf dem Wasser zu, und laufte endlich gantz glücklich in den Hafen Calabriä ein. Wo er dann dem Heil. Bischof Paulino, was ihm auf seiner Reiß mit Christo und den heiligen Englen begegnet, umständlich erzählet, welcher mit fliessenden Zäheren alles angehört, den lieben unschuldigen Alten getauft, und die gröste Freud gehabt hat, wann er ihm nachgehends etwann begegnet ist Barrus S.J. in Blanditiis sanctis Hagiophili. c. 3.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 609-610.
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