Das dritte Capitul.

Charon. Mercurius. Calvinus. Lutherus.

[796] Charon. Woher, woher, Mercuri! bey dem staubigen Wetter? was ist das für ein spanischer Aufzug, daß einer zu Pferd in die Höll hinunter postiere? was ist dies für ein alle modischer Reuter? Mercurius. Guten Abend, lieber Altvatter! hier bringe ich Johann Calvinum, welcher schon manche Squadron verdammten Seelen voran geschickt hat. Charon. Potz! ist das der spitzbärtige Calvinus? Geschwind aus dem Sattel; hier laßt man keinen zu Pferd tummlen, oder turnieren, wann es schon der Kayser von Constantinopel selbst wäre. Alsobald herunter mit dir. Warte ich will dich beym Kragen erdappen. Da liegst du. Calvinus. O Jammer! wie geht es hier zu! Charon. Seye nur zufrieden: das ist erst der Willkomm: es wird noch ärger kommen. Jetzt fallen alle Blätter auf dich; bald werden gantze Bäum auf dich platzen. Aber was sehe ich? was ist das für ein Brandmahl? wer hat dir die frantzösische Lilie aufgedruckt? [796] Mercur. Wer wirds gethan haben, als der Hencker? Charon. Wie da? Mercur. Weißt du das noch nicht. Das wissen alle Kinder zu Noyon in Franckreich. Es ist dieser Vogel einsmahl in einer so schandlichen Unzucht erdappet worden, daß er das hitzige Fieber auf dem Scheiterhauffen verdient hätte. Doch haben ihm die Blutrichter die Straf gemiltert, und allein die glüende Lilie eingedruckt. Charon. Pfui Belial! diesen Unflat hättest du nicht auf einem Gaul, sondern auf einem garstigen Hund, oder auf einem stinckenden Bock hieher führen sollen. Das wäre ein rechtes Tummel-Pferd für ihn geweßt. Oder, wann ichs gewußt hätte, wolte ich meinen dreyköpfigen Cerberum gesattelt, und ihm entgegen geschickt haben. Auf dem hätte er herein galoppiren können. Wer ist aber dieser mit seinem ungeheuren Bauch? Mercur. Das ist Doctor Martin Luther, des Printzen Lucifers guter Bekannter. Charon. Wie siehet er aus? was für einen geschornen Kopf hat er? Mercur. Ja, er ware anfänglich ein Mönch. Als ihn aber das muthwillige Fleisch zur Begierlichkeit angetrieben, hat er seine Kappe an den Nagel gehänckt, ist aus dem Closter gesprungen; und damit er bey der Geistlichkeit bliebe, hat er ein GOtt geweyhte Nonn verführt, und unter dem Prätext des Ehestands zu einem Kebsweib angenommen. Charon. Ho, ho! ists ein solcher Kerl? ich hab dergleichen Mönchen schon viel herüber geführt; seynd aber nichtswerthige Vögel, und viel ärger, als der gemeine Mann gewesen Mercur. Das ist ein altes. Je besser der Wein ist, je schärfer wird der Essig daraus. Je frommer sie im Kloster waren, je schlimmer seynd sie draussen. Das ist gemeiniglich ihr Leyren. Anfänglich seynd sie still im Closter; bald darauf werden sie frech. Darnach springen sie aus dem Orden, lauffen zu den Ketzeren, und werden endlich Prädicanten. Da haben sie den Bettel beysammen. Charo. Pfui! Mercuri! was hat Luther für einen stinckenden Athem? er hat gewiß Knoblauch gefressen. Es stinckt ihm auch die Hefen aus dem Rachen heraus. Mercur. Man muß ihm das verzeihen: er hat sich erst gestern mit Fressen und Sauffen also angefüllet, daß ers noch nicht verdäuen können: Du aber, lieber Charon! siehe zu, daß du sie geschwind über den Cocytum hinüber bringest; dann ich hab zu eilen, und muß alsbald wieder fort. Charon. Ja wohl eilen ich bring sie heut kaum hinüber, wann du nicht bleibst, und ein wenig Hand langest. Mercur. Warum das? Charon. Den dürrmauligen Frantzosen will ich bald drüben haben; aber die dicke Mast-Sau die kan ich ohne Gefahr nicht ins Schiflein laden. Mercur. Meinest du wohl, daß er so schwer seye? Charon. Ich wolte lieber einen ungarischen Ochsen einladen. Ich könnte mit ihm zu Grund gehen. Das wäre mir ein schöner Handel, um eines Ketzers willen sich in Gefahr stürtzen. Mercur. Seye zufrieden; er solle dir den Fuhrlohn bezahlen. Ich selber will dir einen halben Gulden geben: man giebt ja von Wagen und Pferd nicht mehr? Charon. [797] So wahr ich ein ehrlicher Mann bin (ist hoch geschworen) ich wolte nicht ein spanischen Thaler nehmen, diesen dicken Bachus in mein Schif zu nehmen; er druckts zu Boden. Er hat ja einen Kopf, wie ein Saltzscheiben? Backen, wie ein Sackpfeiffen? der Bauch ist, wie ein fudrig Faß? die zween Füß wie zween Rührkübel? sehet nur seine Finger an. Der Daum ist dicker, als mein Arm. Nein ich nimme ihn nicht in mein Schif. Mercur. Wie bringen wir ihn dann hinüber? Charon. Hier hab ich ein grobes Schif-Seil. Mit dem will ich ihn hinten ans Schif binden; da muß er mir halb schwimmen, und ich will ihn halb fortziehen. Allons! Calvine herein; da setze dich auf das Brett nieder, und sitze mir still. Regest du dich aber, so solst du erfahren, wie ich dir deinen Spitzkopf mit dem Ruder denglen will. Du aber, Luther! giebe den Hals her. Luther. Ach! binde mich nicht zu hart; ich kan ohne das kaum schnauffen. Charon. Ich wills hübsch machen; seye nur still. Der Strick ist schier zu kurtz; er geht kaum um den dicken Hals herum. Luther. Ach! ich erstick, ich erstick. Charon. Seye gutes Muths, wir wollen bald drüben seyn. Mercur. Schmeisse auf ihn zu, daß er fortschwimme. Luther. O wie ist das Wasser so kalt! ich erfriere, ich erfriere. Charon. Warte nur ein wenig; in der Höll wirst du dich bald erwärmen. Mercur. Halte das Steur-Ruder: ich will mit dem Fahrbaum das Schif fort treiben. Mercur. Das geht hurtig fort: wir seynd herüber. Charon. Heraus, Calvine! helft, helft alle, daß wir den Luther, den dicken Balg heraus ziehen. Ziehet, ziehet. Jetzt ist er heraussen. Sehet! wie er aussiehet; sehet! wie er zittert, wie ein Espen-Laub. Mercur. Wie gefallts dir hier? Calvine! Calvinus. Gar übel: die Haar stehen mir alle gen Berg. Mercur. Warum das? Calvinus. Es dunckt mich, ich sehe schon die trutzige Gesichter der Höllen-Richter. Es dunckt mich, ich höre schon den unwiderruflichen Sententz, den sie wider mich fällen werden. Es dunckt mich, ich empfinde schon die unbarmhertzige Streich der wüttenden Megärä. Ich förchte, ich sterbe vor Schröcken. Mercur. Du darfst dir nicht forchten, daß du sterbest: dann Sterben wäre dein gröstes Glück. Calvinus. Giebts dann kein Ort mehr hier, da sich einer verbergen kan? Charon. Ach! nein. So finster als es hier scheint, so offenbahr ist doch hier alles. Calvinus. O Jammer! O Elend! O Pein! O ewige Qual! Charon. Luther! wie schweigest du so still! Luther. Ich hab noch nicht verschnaufet. Charon. Höret, ihr zween Cameraden! ich will euch einen guten Rath geben. Sehet ihr diesen breiten gebahnten Weeg? der gehet gerad der Höllen zu. Gehet nur geschwind fort, sonst kommt die Megära mit ihren Schlangen-Peitschen, und geiselt euch also, daß ihr springen müßt, wie die Dantz-Bären. Sehet ihr, wie sie dort her rennet? sehet, wie ihr die Augen funcklen, ärger als der Katzen. Sehet, wie ihr die Schlangen um den Kopf wüten. Wie sie ihr Geisel schwinget. Gehet flux fort. Luther. [798] Ach Mercuri! ich hab die letzte Bitt an dich. Mercur. Sags geschwind, was ists? Luther. Ich hab auf Erden noch viel bekannte Freund, und liebe Sauf-Brüder, die ich zur Ketzerey, und allem Luder gebracht hab. Sags ihnen doch, wie es mir ergehe: damit sie sich bekehren, und nicht auch in solches Elend gerathen. Mercur. Sie haben Catholische Prediger genug: wann sie diesen nicht glauben, so werden sie auch mir nicht glauben. Gute Nacht. Lasset euch in der Höllen nichts Böses traumen.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 796-799.
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