Das zweyte Capitel.

Zwey sehr merckliche Stuck.

[899] Das erste ist: gesetzt es kommet jemand zur Beicht, ein in vorigen Beichten schamhaftig verschwiegene Sünd zu beichten: der Beichtvatter höret ihn gedultig an, er leget ihm nicht auf, daß er ein andersmahl komme. Dann die Schamhaftigkeit ist vielmahlen so groß, daß sie verhinderet, wiederumen zu kommen. Viel wohl erfahrne-Beichtvätter thun dieses, auf daß sie nicht in traurige Sorgen gerathen: Vernünftig kan man muthmassen, daß sonsten dergleichen Leut unbußfertig sterben, nicht mehr solches auch in der Gefahr des Tods beichten wurden. Dahero wann der Beicht-Vatter nicht versichert ist, aus Umständ der Person, oder der Gelegenheit, daß sie ein andersmahl wiederum kommen wird, solle er die Entbindung von den Sünden nicht aufschieben.

Das andere, was zu mercken ist, daß die Beichtvätter wohl unterricht, und gelehrt seyn sollen, in was für [899] Zufällen die Beicht ohne Bekanntnuß aller Sünden geschehen könne, nemlich in Gefahr des Schifbruchs, oder im Anfang einer Schlacht, oder wann die Beicht geschiehet durch einen Dollmetsch, oder so zweyer Krancken Beicht gehört wird, welche in einem Beth liegerhaft, nicht mögen gesöndert werden. Gleichfalls soll man auch allhier mercken, wann der Seelsorger nun das hochwürdige Sacrament des Altars, als ein Reißzehrung einem Sterbenden darreichen will, und zuvor in der Beicht ein Sünd gestehet, welche in jungen Jahren verschwiegen worden, und es Aergernuß brächte, wann sich der Priester länger aufhaltete. Also auch, wann ein Verdacht oder Aergernuß erfolgete, so am Heil. Antlaß-Pfingsttag die Communion ausgelassen wurde: Oder wann ein Ehe-Frau ihren Gemahl oder die Tochter ihr Frau Mutter, oder ein Magd ihr Frau förchteten.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 899-900.
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