Das fünfzehende Capitel.

Jetzt eingeführte Lehr wird mit einer seltsamen Geschicht bewiesen.

[936] Von P. Crombetio wird eingeführt in dem Buch de Studio perfectionis folgende Histori. Zu Antorf befande sich ein hochedel- und gewaltiger Cavalier, welcher ein solche Sünd begangen, die ihne also schamroth gemacht, daß er vermeinet, es seye ihm unmöglich, diese ausdrucklich zu beichten: sie peiniget bey Tag und Nacht sein betrübtes Gewissen. Einsmahlen, da er in einer Predig vernommen, daß die Sünden, die man vergisset, und aus Vergessenheit nicht beichtet, dannoch in dem heiligen Sacrament der Buß vergeben werden, gedenckt er auf alle Weeg, wie diese seine Sünd der Gedächtnuß möchte ausfallen, und in die immerwährende Vergessenheit kommen. Er ergabe sich vielfältigen Kurtzweilen, allen Schauspielen, Comödien, und Gauglereyen wohnet er bey: im Spielen, Conversiren, und Mahlzeiten ware sein Unterhaltung: aber alle diese angestimmte Fröhlichkeit konte die Traurigkeit des Gewissens mit nichten vertreiben, es könnte kein so dunckles Geweb gespunnen und gewürckt werden, die Gedächtnuß der verübten Sünd also zu überlegen, daß sie sich nicht allzeit er schröcklich spühren liesse. Auf ein unsinnige Weis fanget er an zu studieren, [936] die Philosophia, und Mathematica, welche Wissenschaften ein tiefes, und aufmerckliches Nachsinnen erforderen: doch disputiret mit ihme fort, und fort das unlustige Gewissen.


Er verlasset sein Vatterland, verfüget sich in fremde Länder, hoffend die Vergessenheit der Sünd, und die Ruhe des Gewissens zu finden: aber war umsonst, seinen Tyrann traget er in seinem Busen mit sich herum: sein eignen Schatten wolte er fliehen, der ihme doch nachfolgte, und mehrmahls erschröckte. In einem Buch, das ihme zu Handen kommen, lesete er einsmahls, wie GOtt vor Zeiten oftermahlen die Sünd vergeben, und verzyhen, wann diese mit zerknirschtem Hertzen vollkommentlich bereuet worden: dahero er mit strengen Bußwercken, als Fasten, härinen Kleidern und Geißlen, wahre vollkommene Reu zu erwecken sich gewaltig, doch gleichfalls umsonsten, bemühet: er befriedigte das Gewissen hierdurch nicht, sondern der Kummer und die Unruhe wird nur grösser, und streitbarer.

Ja er wolte nicht mehr gedulten die grosse Aengstigkeit seines Gewissens, urdrüssig noch länger in stätter innerlicher Pein und Qual zu leben, gedencket, mit selbst eigner gewaltigen Hand ihme ein Strang an Hals zu legen, und seinem unlustigen Leben ein End zu machen. An einem Abend gantz allein fahret er aus in seinen Lustgarten, dieses werckstellig zu machen, was er ihm in seinen Gedancken vorgenommen: nahme derowegen zu sich den Strang, wolte sein eigener Scharfrichter seyn, den innerlichen Scharfrichter des Gewissens zu vertilgen.


GOtt aber, der das irrende Schäflein suchte, schicket wunderlich, daß eben zur selbigen Stund ihme ein bekannter Pater Jesuiter auf dem Weeg begegnet: es gedunckte den Herrn, es wäre eine Grobheit diesen Pater in den Kohlwagen nicht einladen, dahero bittet er ihne gantz höflich, er wolle sich des Wagen bedienen, und ihme belieben lassen gute Gesellschaft zu leisten: der Pater wird durch das freundliche Einladen beredt, steigt in den Wagen zu diesem Herrn, leistet ihme verlangte gute Gesellschaft, mit einem und andern tugendlichen Gespräch. Unter andern führet er auch ein einen Discurs von der rechtschaffenen Beicht, dies Gespräch machte dem Cavalier angst und bang, er erbleichet bis in das Maul, und sprach, mein lieber Pater, wir wollen etwas anders reden, solche Gespräch machen sehr traurige Gedancken, sie erquicken nicht, sondern ängstigen das Gemüth. Gnädiger Herr, sprach hingegen der Pater, wir Geistliche haben diesen Brauch, dergleichen Discurs vorzubringen, sie bringen nicht traurige, sondern ruhige Gedancken, und erquicken das innerste der Seelen. Da seuftzet der Cavalier aus tiefem Hertzen, unterscheidet die Red des Paters, und sprach, solche Discurs würcken dieses, was ihr aussprecht bey denen, welche nichts haben zu verliehren, wann sie allein [937] ihre Sünden einem Menschen beichten. Der gute Pater merckt aus diesen des Cavaliers Reden, daß in dem Gewissen ein nagender Wurm stecket, sprach derowegen ihme also zu: mein Herr verzeyhet mirs, es ist nicht gleichwie ihr vermeinet, Mittel haben wir genugsam wider die Schamhaftigkeit, gleichwie ein jede leibliche, also auch ein jede Seelen-Kranckheit, hat ein gewisses und heilsames Mittel; wann deme also wäre, wie der Pater nun geredet, so fangte ich an noch heut zu leben, und entgienge der Höllen, sprach der Cavalier. Darauf der Pater, Wohlgebohrner Herr, nur frisch auf, wohlgemuth, GOtttes Barmhertzigkeit ist in einer unendlichen Gütigkeit, allein eines ist nothwendig des gantzen Lebens aufrichtige Gewissens-Erforschung.

Unterdessen gelangen sie zum Garten, und der Pater setzet nicht aus, sondern verbleibt in dieser Unterredung, sprechend, ohne grosse Mühe und Arbeit kan dieses geschehen, die Gebott GOttes wollen wir kürtzlich durchgehen, seyd versichert, alles was ihr Ubels gethan, wird euch in die Gedächtnuß kommen: Er sprach, wider dieses Gebott sündiget man mit diesen, und diesen unterschiedlich grossen Tod-Sünden; in jenen mit diesen und diesen, und also fort, bis daß er in dem sechsten Gebott diese und jene greuliche Sünd berühret, auf diejenige Sünd kommen, welche den Cavalier vielfältig geänstiget hat: Als nun der Cavalier diese seine Sünd gehöret, konte er sich nicht enthalten, sondern seuftzet aus dem Grund seines Hertzens, und redet zu dem Pater, ach! mein lieber Pater, dieses ist, was mich so sehr peiniget: ist dieses? fragt gar freundlich der Pater, so ist auch das gute Mittel schon vorhanden: Ich hab den beichtvätterlichen Gewalt, euch von den Sünden loß zu sprechen, bekennet mir aufrichtig auch alle andere euere Sünden, weilen diese allein die Beicht beschwerlich gemacht, so ist es nicht schwer die übrigen auch beichten; dieses hab ich nun gar wohl verstanden, alsobalden wird euch bestermassen zur Sicherheit eueres Gewissens geholfen werden. Der Cavalier fienge an zu weinen, fallet auf seine Knie nieder, beichtet ohne Scheu, und ohne Verwirrung alles übrige, erkennet auch, und bekennet sich schuldig in jener Sünd, erzeiget ein bußfertiges Gemüth, wird loß gesprochen, und aus dem Rachen der Höllen gezogen: Fanget derowegen an ein ruhiges u. gottsförchtiges Leben zu führen, und erfreuet sich jederzeit in der unendlichen Güte und Barmhertzigkeit GOttes.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 936-938.
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