Das zweyte Capitel.

Viel aus denen, die in strittigen Rauf-Händlen sterben, sterben ohne steiffen Vorsatz sich zu besseren.

[942] Vorangezogener Auctor schreibt, daß einsmahls einer zu ihme kommen sey, seine Sünd zu beichten: dieser sprach: ich bitt euch mein Beicht-Vatter, höret an mein Beicht, und prediget alsdann zu dem Volck, das, was ich euch werde bekennen. Einsmahls in einem Rauf-Handel hab ich einen gefährlichen Stich bekommen, fiele zu Boden, und glaubte, daß mein letztes End da seye, die um mich stehende, und zulauffende Leut erschröckten über mich, ruffeten eylends einen Beicht-Vatter, und liessen mich mit den Heil. Sacramenten versehen: der Beicht-Vatter fraget mich ein und das andermahl, ob ich meinem Feind verzeyhe? ich antwortete, ja, ich verzeyhe es ihme; er aber wolte mirs nicht glauben, fraget abermahlen, und redet mir zu, lieber Freund, sprach er, erinneret euch des Christlichen Gesatzes, durch welches wir schuldig seynd, unsern Feinden zu verzeyhen: habt ihr ein Rachgierigkeit in eurem Hertzen, so kan es nicht seyn, daß ihr seelig werdet, sehet, jetzund bald seyet ihr des Tods eigen, was gebet ihr mir für ein Antwort? ich sprach, Pater, ich verzeyhe meinem Feind, und er fraget, verzeyhet ihr in der Wahrheit aus gantzem Hertzen, freylich sprach ich: er aber sprach wiederum, nehmet wahr, GOtt erforschet Hertz und Nieren, er kan mit nichten betrogen werden: er ist der euch das Himmelreich kan geben, wann ihr euere [942] Sünd bereuet, euerem Feind von Grund eures Hertzens verzeyhet; und er ist, der euch mit gerechtistem Urtheil kan verdammen, wann ihr in der Unbußfertigkeit und Rachgierigkeit verbleibet und darin sterbet. Darauf sprach ich: von gantzem Hertzen verzeyhe und vergibe ich meinem Feind; da glaubt er meinem Ausspruch, und gab mir die Absolution. Doch bekenne ich es jetzund aufrichtig, daß ich ihme vorgelogen, in allem, was ich ihme geantwortet habe, dann ich gedachte, so ich dieser Tods Gefahr entgehe, so will ich meinen Feind um das Leben bringen; also äusserlich und innerlich übel beschaffen hab ich die H. Sacramenten in meiner Boßheit empfangen. Aber der göttlichen Barmhertzigkeit hat es beliebet mich noch länger bey dem Leben zu erhalten, und aus höchster Leibs- und Seelen-Gefahr zu erretten; GOtt wolte, daß ich in Anhörung euerer Predigen erkennen solte, diesen meinen elenden Zustand meiner armen Seelen. Nun bekenne ich aus Grund meines Hertzens, daß ich meinem Feind rechtmäßig alles verzeyhe. Und bitte zugleich den Pater, er wolle diese Begebenheit, welche sich mit mir, wie ich erzählet, zugetragen, dem Volck predigen; dann ich bin dieser Meynung, daß alle die, welche in Rauf-Händlen der Tods-Gefahr entgehen, zugleich eingehen solche Anfechtung, gleichwie ich eingangen bin; JEsu Christo meinem gnädigen Heyland sag ich Lob und Danck um die Erleuchtung, daß ich meine Thorheit erkennet habe.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 942-943.
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