Das dritte Capitel.

Zwey klägliche Begebenheiten mit zweyen Personen, die ohne steiffen Vorsatz sich zu besseren, abgestorben.

[943] Obangezogener Author in seinem benennten Büchlein von der Besserung des Lebens erzählet folgende Geschicht. Wiewohlen die Gefahr deren, die in Rauf-Händlen sterben, groß ist, indeme sie nicht nachkommen den göttlichen Gebotten den Feinden zu vergeben, sondern in der Rachgierigkeit verstocken, so seynd doch nicht gar zu viel deren, welche also um ihr Leben kommen.

Viel ein grössere Zahl ist deren, welche in unehrbahren Gelüsten und Sünden, ohne steiffen Fürsatz sich zu besseren sterben, aus sehr vielen wird eines, und das andere genug seyn zu erzählen, damit diese Wahrheit bestättiget werde.

In einer Nacht wird an eines gewissen Closters-Porten eylfertig und heftig angeklopfet, und ein Beichtvatter begehret. Der Obere des Closters befihlet es alsobalden einem aus den Priesteren hinzugehen, dieser gehet behend dahin, unter Weegen aber fraget er den Geleitsmann, wer der Krancke seye? zu dem er eylet, er antwortet ihm, es seye einer von den [943] Artzten nunmehro verlassener Krancke, deme kein Mittel mehr übrig. Heut Nacht ist die von den Aertzten ausgesagte Zeit seines Endes, morgigen Tag wird er nicht erleben. Und was zum höchsten zu bedauren sprach dieser Geleitsmann, der Krancke hat ein ärgerliches Leben verbracht, sein Buhlschaft hat er in seinem Haus bis auf die Stund behalten, ich aber hab dieser mit einem Stab müssen den Weeg weisen, und sie darvon treiben, bevor als ich euch Beichtvatter beruffen wollen.

Als der Beichtvatter zu dem Krancken kommen, redet er ihn an, mein lieber Freund, sprach er: ihr seyt nun an dem End eueres Lebens, ihr müßt wandern in die Ewigkeit, und wann ihr nicht mit wahrer Reu und Buß euere Sünden beichtet, so kommet ihr in die ewige Verdammnus; der Krancke erkennet dieses sehr wohl, und sprach: ja mein Beichtvatter, ich bedencke eines und das andere, wie daß sich jetzt mein Leben endet, und wie ich in die Verdammnus kommen werde; aber ist etwann dannoch ein Mittel übrig meiner armen Seel zu helffen? der Beichtvatter antwortet, freylich, so lang als der Mensch lebet, soll er mit nichten verzweiflen Beichtet euere Sünden, dann ich verlange euch heraus zu helffen. Der Krancke fanget an seine Beicht, weinet bitterlich, und gibt alle Anzeigen einer hertzlichen Reu, nach Wunsch verrichtet er die Beicht, zu Trost des Beichtvatters, welcher ihme eine geringe Buß auferlegt. Bald hernach entfallet ihm das Gehör samt der Red, er greiffet in die letzte Zügen; der Beichtvatter befihlet die Seel dieses Sterbenden mit den ordentlichen Kirchen-Gebettern in die Barmhertzigkeit GOttes, bittet eyferig, bis daß die Seel von dem Leib abgefordert worden. Nachdeme er das Seinige gethan, kehret er nach Haus in sein Closter, wolte alsobald als es seyn konnte, für den Abgestorbenen GOtt die H. Meß aufopferen, verfüget sich früh Morgens in die Sacristey, befande aber niemand, der ihne bedienen konnte, er wolte doch die Priesterliche Meß-Kleydung anlegen, vermeynend, daß unterdessen jemand herkommen wurde. Als er das Haupt-Tuch umnimmet, empfindet er ruckwärts, gleich ob es ihm wolte entzogen werden, entsetzet sich etwas darüber, wendet sich um, sihet aber niemand, ergreiffet das weisse leinene Gewand, das ziehet er an, da merckte er wiederum einen heimlichen Gewalt, welcher ihne wolte verhindern, darauf er heftiger erschrocken, bey sich selbsten gesprochen, villeicht hab ich an mir ein Sünd, welche GOtt mißfällig, die mich von dem H. Meß-Opfer abhaltet? Er durchsuchet sein Gewissen, findet annoch nichts, munteret derowegen sich selbsten auf, mit der Gnad GOttes, sprach er: hab ich keine schwehre Sünd an mir, die mich verhinderet von diesem H. Meß-Opfer, dahero soll der höllische Feind keine Macht nicht haben mich von diesem Werck der Barmhertzigkeit abzuhalten. Er fahret fort und bekleydet sich völlig, endlich da er den Kelch [944] zubereitet, sahe er ein Hand, welche ihm diesen entzogen, darauf ihn der Schröcken eingenommen, daß die Haar aufgestiegen, das Hertz geklopffet, und er aus der Sacristey jemand zu finden, geloffen; aber GOtt wolte es also haben, daß er niemand, welcher ihme beystunde, gefunden, dann es war sehr frühe. Gleich dazumahl höret er ein klägliches Seuftzen eines Weinenden, der Anzeigung gabe eines peynlichen Zustands, doch war niemand zu ersehen. Er fasset doch ein Hertz, und GOtt stärcket ihn in der Stund als diß sich zugetragen. Beschwöret derowegen den Geist, in dem Namen des HErrn, sprach er: beschwöre ich dich, bekenne wer du bist, und was ist dein Begehren? da höret er eine Stimm: du Christlicher Priester, was fangest du an? der Priester antwortet, ich will das Meß-Opfer verrichten für die Seel eines Sünders, welcher heut Nachts aus diesem Leben verschieden ist. Die Stimm des unsichtbaren Geistes gibt sich zu erkennen und spricht: ich bin derselbe, von dem du nun redest, vergebens wäre dein Meß-Opfer, unterlaß solches, dann ich bin verdammet. Hast du doch mit Anzeigen grosser Reu gebeichtet, sprach der Beichtvatter, und deine Sünd hast du bitterlich beweinet, ich will auch nicht glauben, du hättest etwann eine ausgelassen. Wahr ist es freylich, sprach der Geist, recht hab ich gebeicht, und kein Sünd hab ich verschwiegen; entgegen fragt der Beichtvatter, wie ist es dann geschehen, daß du bist verdammet worden? die Stimm des unsichtbaren Geistes erzählet, wie es mit ihm hergangen, und sprach: du solst es wissen, daß ich, da mir mein Red und Gehör verfallen, bin angefochten worden von dem bösen Feind, er saget mir vor, wie vergissest du deiner geliebten Freundin? erstlich hab ich Widerstand gethan und gesprochen: Ach GOtt! hätte ich sie nicht gekennet; der böse Feind kommet wiederum, sprechend: sie hat dich inniglich lieb, und du wilst sie so wenig lieben? ich sprach in meinem Hertzen, was hab ich jetzund darvon, daß ich sie geliebet hab? als daß ich und sie der ewigen Verdammnus zu eylen? der böse Feind kommet zum drittenmahl und redet mir also zu: ich verwundere mich nicht, daß du der Zeit also redest, weilen du den Tod förchtest, so du aber ein langes und sicheres Leben noch übrig hättest auf mehrere gute Jahr, woltest du dann deine so lang geliebte Freundschaft nicht wiederum annehmen, wann das wäre, gedacht ich bey mir, daß ich noch ein lang und sicheres Leben übrig hätte, freylich wurde ich zu meiner alten Lieb wiederum umkehren. In dieser Einwilligung bin ich vom bösen Feind überwunden aus diesem Leben verschieden, zu immerwährender Pein der Höllen verdammt worden. Daraus folget der Schluß, daß dieselbige, welche in dem Leben beichten, ohne kräftigen Vorsatz das Leben zu besseren, eben kein bessere Beicht verrichten zur Zeit ihres Ableibens, oder aber der Vorsatz, den solche Leut machen, hat keinen [945] Bestand, währet eine kurtze Zeit, und verliehret sich; das geschiht gemeiniglich, gar selten wird sich das Widerspihl zutragen.

Eben dieser Auctor zu Bekräftigung dieser Wahrheit, daß viel, auch zur Zeit ihres Ableibens, ohne rechtschaffenen Vorsatz beichten, oder gleich wiederum zuruck in die Boßheit kehren, erzählet folgende Begebenheit.


Ein Beichtvatter höret an die Beicht eines von unzüchtigen Liebs-Banden verwickleten Krancken, kurtz vor seinem Hinscheiden bekennet dieser sein Sünd, ein ziemliche Weil bringt er in dieser Verrichtung zu; und siehe, in währender Beicht wendet er seine Augen gegen den Füssen des Beths, allwo er gelegen, und fanget an zu lachen. Der Beichtvatter verwundert sich dessen, ermahnet ihne, jetzt ist kein Zeit zum Lachen, sondern zum Weinen: Ihr erkennet es wohl, was für ein unehrbares Leben ihr geführet, ja der gantzen Stadt ist solches bekannt, und da nun der Tod vor Augen, fanget ihr an zu lachen? Mein Beichtvatter, antwortet, und fraget der Krancke, sehet ihr nicht zu Füssen des Beths meine Geliebte stehen, und er nennet sie mit Namen: Der Beichtvatter verwundert sich darüber, dann er sahe niemand, vermercket doch, wer sich in diese Gestalt verstellet habe, spricht derowegen diesem Sünder ernstlich zu, das ist nicht die, welche ihr vermeint, sondern der höllische Feind, der leidige Teufel, der eure arme Seel will verführen. Darauf sprach der Krancke, ich hab sie sehr geliebt, so laßt es geschehen, daß ich sie nun, da ich sterbe, möge umfangen. Der Beichtvatter eilet zur Porten, um das Weyhwasser, den bösen Feind hiemit aus der Kammer zu vertreiben. Alle entsetzten sich darüber, gehen in die Kammer, aber finden ihn nicht mehr, weder in, noch unter dem Beth, noch anderwärts, wie dann auch sein Leib nimmermehr erfunden, oder gesehen worden.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 943-946.
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