Dritter Form.

Ein Handwercks-Gesell beichtet also:

[1004] Ich klag mich an vor GOtt, und Euer Hochwürden in nachfolgenden Sünden, so ich von drey Wochen her begangen hab.


Ich hab mich freywillig und bedachtsam in unkeuschen Gedancken aufgehalten und in selben mich belustiget einmahl. Ich hab Begierden gehabt, das ist, ich hab gewunschen und begehrt ein Weibs-Person unrein zu betasten, einmahl. Ich hab begehrt mit einer Weibs-Person fleischlich zu sündigen, Zweymahl. Mit einer ledigen (wie auch ich ledig bin) einmahl mit einer Verheuratheten, einmahl mit einer, so das Gelübd der Keuschheit abgelegt, item hab ich einmahl begehrt mit einer Ledigen in einem geweyhten Ort fleischlich zu sündigen. Ich hab unkeusch geredt, und gesungen; ich zweifle, ob es nicht geschehen, mit grosser Aergernuß der Gegenwärtigen, Einmahl. Ich hab GOtt mit Sacramentiren gelästert viermahl. Mich viermahl voll getruncken, daß ich nicht mehr wußte, was ich thät. Ich hab einmahl mit einem gerauft, ihn schwerlich verletzt, doch nicht tödtlich: ich hab aber schon den Bader bezahlt weilen ich der Urheber war dieser Rauf-Händel. Meinem Meister um einen halben Gulden Werth abgetragen; will es ihme, so bald es seyn kan, wiederum gut machen. An einem Feyrtag hab ich ohne Noth eine Stund lang gearbeitet. Ich hab in einer Kirchen etwas merckliches gestohlen, ich will es aber heut noch zuruck geben. Ich hab die Bruderschaft, Vesper, und Predig einmahl versaumet. In Gedancken, Worten und Wercken bin ich hoffärtig, zornig, und etwas rachgierig; unhöflich und muthwillig gewesen.

Diese und alle andere meine nach fleissiger Erforschung vergessene Sünden seynd mir leid, und reuen mich von Hertzen, daß ich GOtt mein allerhöchstes Gut so schändlich, und so schwerlich beleidiget hab: ich nimme mir aber aus gantzem Hertzen vor, meinen liebwürdigsten GOtt nimmermehr [1004] zu beleidigen, absonderlich mit allen Kräften wider die unreine Gedancken zu streiten: Bitte derohalben Euer Hochwürden um ein grosse Buß und Heil. Absolution.


Was ist von dieser dritten Beicht-Form zu halten?


Ant. Dieser ledige Gesell hat ziemlicher massen wohl gebeichtet.

1. Weil er sich am Anfang der grossen Sünden angeklagt, und die kleinere zu End der Beicht erzählet.

2. Weilen er zur Sünd der unreinen Belustigung hinzugesetzt, daß er solche freywillig gehabt: dann ohne diesen Zusatz der Beichtvatter nicht hätte wissen können, ob es nur einfallende Gedancken oder ein vorsetzliche Belustigung gewesen ware.

3. Weilen er ein Unterschied zwischen denen Gedancken und Begierden gemacht, dann ein Begierd ist eben so viel als ein Verlangen, oder ein Wunsch; ein Wunsch aber ist ja gantz etwas anderes als ein purer Gedancken.

4. Weilen er ein Unterschied zwischen der Begierd zu einer Betastung, und zwischen der Begierd zum fleischlichen Werck selbsten gemacht hat, wiederum hat er gar recht ein Unterschied gemacht zwischen der Begierd auf ein ledige, und zwischen der Begierd auf ein verheurathete Person. Uber das hat er gar löblich einen Unterschied gemacht zwischen der Begierd zu sündigen mit einer so verbunden ist mit einem wahren Gelübd der Keuschheit, und zwischen der Begierd zu sündigen mit einer so frey ist von allen Gelübden: zu dem hat er auch recht, und wohl hinzu gesetzt, daß auch er ledig seye; dann alles dieses seynd lauter Umständ, welche die Sünden also verstalten, und veränderen, daß sie dem Beichtvatter zu wissen höchst nothwendig seyn.

5. Ist die Beicht zu loben, weilen er bey einer Begierd oder Verlangen fleischlich zu sündigen, und bey einem Diebstahl hinzugesetzt, daß es in einem geweyhten Ort geschehen, und im Sinn gehabt die Sünd in dem geweyhten Ort zu vollbringen; massen diese Umständ die Sünden wiederum völlig veränderen, und enger machen.

6. Ist gar recht geschehen, daß er sich unter einem Zweifel angeklagt, ob er Aergernuß gegeben oder nicht. Dann die Aergernussen Umständ seyn, welche die Sünden können schwerer machen, ja gar verdopplen.

7. Hat er auch recht gethan, daß er in der Beicht versprochen, er wolle den verursachten Schaden, wie auch alles abgenommene wiederum gut machen, sonsten wie es schon oben ist gemeldet worden, hätte ihm solches der Beichtvatter befehlen müssen.

8. Ist in dieser Beicht löblich, daß er gesagt, wie lang er an einem Feyr-Tag ohne grosse und wichtige Ursachen gearbeitet: dann je länger die Arbeit an dergleichen Tägen fortgesetzt wird, je grösser wird die Sünd.

9. Hat mir wohl gefallen der Beschluß dieser Beicht. Erstlich: Weilen er hinzugesetzt diese Wort: Nach [1005] fleissiger Erforschung. Durch welches er zu verstehen gegeben, daß er den vorgeschriebnen Fleiß bey Erforschung seines Gewissens angewendet hatte; wie es auch dergleichen grossen Sünderen höchst nothwendig ist. Andertens: Bittet er um eine grosse Buß dieser ledige Gesell muß wohl wissen, daß die grössere Bussen mehr auslöschen von der Straf, so ordinari noch überbleibt nach denen auch gebeichten Sünden.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 1004-1006.
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