Vierte Form.

Ein andächtige Jungfrau beichtet also:

[1006] Mit demüthigem und zerknirschtem Hertzen gib ich mich schuldig, daß ich arme Sünderin meinen liebwerthesten GOtt von fünf Tägen her also beleidiget hab.


Da ich von dem Schlaf erwachet, hab ich mein Hertz und Gedancken nicht alsobald zu GOtt gewendt, zweymahl. Im Gebett und in öfterer Wiederholung der guten Meinung bin ich schläfrig, nachlässig, und unandächtig gewesen ungefähr einmahl. Die heilige Meß hab ich mit schlechter Andacht angehört, dreymahl: und einmahl unter der heiligen Meß die geistliche Communion unterlassen. Vor dem Essen hab ich auch keine gute Meinung gemacht, dreymahl. Unter dem Essen hab ich mir keinen Abbruch gethan, zweymahl. Unter meiner Arbeit hab ich viel Ding schlauderisch verricht, siebenmahl. Das allgemeine Nacht-Examen hab ich einmahl; das particular, oder sonderbare Examen hab ich viermahl unterlassen. In dem Schlaf hab ich einen unreinen Traum gehabt, denselben aber, so bald ich erwacht, ausgeschlagen. Vor diesem bin ich oft in Worten ungedultig und zornig gewesen, ich hab andern in geringen Sachen übel nachgeredt: Ich hab aber alles schon einmahl gebeichtet.

Diese und alle andere meine vergessene Sünden seynd mir leid, und reuen mich von innerstem meines Hertzens, daß ich mein höchstes Gut beleidiget; absonderlich reuet es mich, daß ich meinen liebwerthesten GOtt so oft mit ungedultigen zornmüthigen Worten verletzt hab: ich nimme mir kräftiglich vor (aufs wenigste freywilliger Weis) die mindeste Sünd mit der Gnad GOttes nicht mehr zu begehen, absonderlich meinen GOtt mit keinem zornigen Wort zu beleidigen; bitte derowegen Euer Hochw. um ein grosse Buß und H. Absolution.


Was ist auf diesen vierten Beicht-Form zu halten?


Ant. Diese Jungfrau hat wohl, und manierlich gebeichtet.

1. Weil sie sein ordentlich durch alle Ubungen des Tags gangen ist.

[1006] 2. Weilen sie sich ihrer gar kleinen Mängel, und Unvollkommenheiten hat angeklagt: dann ich halt darfür, sie habe diese fünf Täg hindurch keine läßliche Sünd gethan, oder doch sich keiner erinneren können.

3. Weilen sie nicht lang gemacht hat, als wie es bisweilen solche andächtige Personen zu thun im Brauch haben, indem sie alle Scrupel, und Phantasien hat ausgelassen, und die unnütze Zweifel, und Fragen auf ein andere Zeit verschoben.

4. Weil sie zum End der erzählten Unvollkommenheiten zwey gewisse, und ungezweiflete Sünden aus dem vorigen Leben hinzugesetzt: ohne welche der Beichtvatter kein genugsame Matery wurde gehabt haben ihr die heilige Absolution zu geben.

5. Weilen sie ihr Beicht so gescheid beschlossen, als wie oben der ledige Gesell: Sie versicherte den Beicht-Vatter, daß sie aufs wenigst ein läßliche Sünd bereuet, und ihr vorgenommen, ihr Lebtag diese läßliche Sünd nicht mehr zu begehen: dann wann man nur läßliche Sünden zu beichten hat, so ist man schuldig aufs wenigst ein läßliche Sünd zu bereuen mit ernsthaften Vorsatz, durch dieselbige läßliche Sünd GOtt in Ewigkeit nicht mehr zu beleidigen.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 1006-1007.
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