18. Der blinde Cupido

[140] Wer klüglich freyen will, der schaut nach Schönheit nicht,

Er hört nur was die Welt von ihrem Leben spricht;

Drum merckt man leicht warum Cupido blind gebohren,

Weil Liebe mit Vernunft das Aug' hat in den Ohren.1


Fußnoten

1 Das Aug' hat in den Ohren. Ob mich gleich in der ersten Jugend zu diesem Sinnschluss ein geschickter und trefflicher Weltweiser verführet, welcher denen die ihm verwiesen dass er einem Tyrannen die Füsse geküsset, antwortete, Er habe es deswegen gethan, weil derselbe die Ohren in den Füssen hätte, so hindert mich dieses dennoch itzo nicht, dass ich dergleichen Witz nicht vor falsche Müntze erkennen, und dem gemeinen Leser, auch mir zum Nachtheil, die Augen öffnen solte, sintemahl ich in acht genommen, dass vielen diese Uberschrifft gefallen, welche was besseres vorübergangen.


Quelle:
Christian Wernicke: Epigramme, Berlin 1909, S. 140-141.
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