42. Auff Antonius und Cleopatra

[150] Es wehlen in der Angst und in der letzten Noth,

Cleopatra das Grab, Antonius den Todt;

Es lisst Verzweiflung hier ein seltsam Urtheil ab:

Der schlägt sich selbsten todt, die trägt sich selbst ins Grab.1


Fußnoten

1 Die trägt sich selbst ins Grab. Diese Uberschrifft ist in einem Buch zu Leipzig gedruckt, und unvorgreiffliche Gedancken über der Deutschen Epigrammata genannt, als eines der Schönsten die aus meiner Feder geflossen, angezogen, und muss ich gestehen, dass ob ich es gleich in der ersten Jugend geschrieben, ich es dennoch anitzo nicht zu verbessern wüste. Nichts destoweniger, so hat dieselbe nachgehends ein gewisser Lehrling, der seinem Lehrmeister ohne Zweiffel zu frühe entlauffen, getadelt unter dem Vorwand, dass in derselben nichts als die Wahrheit enthalten, nicht wissende, dass nichts Sinnreich und schön, was nicht auff derselben gegründet sey, und dass ein gescheuter Tichter von einem Geschicht-Schreiber in den meisten Dingen sich durch nichts anders als die Redens-Art, eine artige Wendung der Wörter, und eine künstliche Zusammenfügung der Umstände unterscheiden kan. Das wahrste Epigramma das Ausonius geschrieben, wird von jederman auch vor das beste gehalten, und ist folgendes an die Dido:


Infelix Dido, nulli bene nupta marito,

Hoc pereunte fugis, hoc fugiente peris.

O Weib! das nichts als Leid in zweyen Männern sieht,

Du fliehst, weil jener stirbt, und stirbst, weil dieser flieht.


Quelle:
Christian Wernicke: Epigramme, Berlin 1909, S. 150-151.
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