16. Atheisten

[179] Dass ein verfluchter Mensch vor seinen Irrthum stirbt,

Und eh' er Gott bekennt, des Lebens sich beraubet,

Ja Seel' und Leib zugleich nach seinem Wahn verdirbt,

Ist wider die Vernunfft. Wer keinen Gott nicht glaubet,

Der glaubt kein ander Leben nicht,

Und kan mit freudigem Gesicht,

Um dieses Leben zu erhalten

Die unerschrockne Hände falten

Vor jedem Baal und Astaroth.[179]

Die Ursach kan, und kommt drum nirgends anders her,

Als dass in seinem strengen Raht

Gott ihm sein Hertz verstocket hat:

So gar, dass keiner mehr als der,

Der Gott verleuchnend stirbt, bezeugt es sey ein Gott.1


Fußnoten

1 Bezeugt es sey ein Gott. Dieses Argument, welches meines Wissens nach noch von keinem wider die Gotts-Verläuchner gebrauchet worden, scheinet mir ohne alle Widerrede und Antwort zu seyn. Denn wenn andre irrige Menschen, zum Exempel, Juden und Türcken, lieber in den Todt gehen, als ihren Glauben, den sie vor rechtmässig halten, verläuchnen wollen, so geschiechet es theils aus Furcht der ewigen Straffe, theils aus Hoffnung der folgenden herrlichen Belohnung. Wenn aber ein Gotts-Verläuchner, der an keine Aufferstehung glaubet, und folgends von keiner Furcht noch Hoffnung geneiget wird, dennoch eben dergleichen Hartnäckigkeit spüren lässet, und das jetzige Leben als sein eintziges Gut umsonst verlieret, so kan es ja freylich von nichts anders herrühren, als dass der unergründliche Gott ihm sein Hertz wie Pharao, seinem weisen und unbegreifflichen Raht nach, verstocket hat. Und dieses ist die Ursach, dass um den Verstand dieser Sache richtig und klar vorzustellen, ich allhier durch einige Umschweiffe die vorgeschriebene Kürtze überschreiten, und lieber ein guter Christ als richtiger Poet sein wollen. Unterdessen so hab' ich auch diesen Fehler durch folgender Uberschrifft zu verbessern gesucht:

Quelle:
Christian Wernicke: Epigramme, Berlin 1909, S. 179-180.
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