10. Auff des Cambyses Richterstuhl

[289] Der Richter, welcher hier des Vorfahrn Straffe spüret,

Der wird zu keiner Zeit von Gunst noch Hass verführet;[289]

Astreen Weissheit wird in jedem Spruch geschaut:

Die Göttin selber sitzt auff dieser Menschen-Haut.1


Fußnoten

1 Die Göttin selber sitzt auff dieser Menschen-Haut. In der vorigen Ausgabe endigte sich diese Uberschrifft mit folgendem Vers:


Dem Laster wird ein Grab, der Zucht ein Thron gebaut:

Mich dünckt, es sitz' ein Gott auff dieser Menschen-Haut.


Ob nun gleich die Obrigkeit in der Heil. Schrifft selber dieser Nahme zugeschrieben wird, und man folgends Ursach zu hoffen gehabt, dass diese so wohl gegründte Metaphora der gar zu spitzfündigen Jugend desto eher würde vergeben werden; so hat man dennoch dieselbe durch diese Veränderung in etwas mässigen, und dem Leser zugleich zeigen wollen, wie man gar nicht in solche Vivezze d'Ingenio verliebet sey. Die Frantzosen unsre Feinde, und grossmüthige Leute müssen auch ihren Feinden Recht thun, die Frantzosen, sage ich, sind diejenigen, welche seit der Grichen und Römer Zeiten uns am besten gewiesen haben, worinnen eine männliche Sinnligkeit bestehe; und habe ich mit Vergnügen gelesen, wie ein Frantzösischer Jesuite den Achillini, wegen gewisser Italiänischen Verse, ohngeachtet dieselbe dem St. Franciscus Xavier, einem Heiligen seines Ordens, zu Ehren geschrieben sind, auffgezogen hat. Denn weil diesem, wie gesaget wird, ein Seekrebs ein gewisses Crucifix, welches er in dem Indianischen Meer verlohren, wiedergebracht; so hat er folgende Verse auf diese Begebenheit gemachet:


Perde Xaverio in mare

Il Crocifisso, e piange;

Quasi che possa il porto

Della stessa salute esser absorto.

Mentre su'l lido ei s'ange,

Ecco un Granchio marino

Recargli fra le branche il suo conforto:

E giusto fù, che de l'amor divino

Fra le beate arsure onde si duole

Non altrove che in Granchio s'havesse il sole.


Worinnen sich nun der Frantzose sonderlich über diese Einfälle erlustigt. Erstlich: Dass dieser Heilige keine Ursach zu besorgen gehabt, dass der Hafen der Seeligkeit selbst von dem Meer könne verschlungen werden. Zum andern: Dass in Ausehn der Hitze der göttlichen Liebe, welche diesen Heiligen entzündet, die Sonne unmüglich anderswo als im Krebs hätte sein können.

Quelle:
Christian Wernicke: Epigramme, Berlin 1909, S. 289-290.
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