16. Auf den witzigen Burrhus

[340] Wenn Burrhus fraget,1 ob es müglich

Vor einem Deutschen sey ein Bel-esprit zu sein:

So antwort' ich, wie er, mit einem klugen Nein;

Und setz' hinzu, doch unnachzüglich,

Dass uns ein Bel-esprit, ein Greiff und Elephant

Auf gleiche Weise sind bekant:

Denn, wenn man einen Bel-esprit

Aus Franckreich in Person auf Deutschem Boden sieht;

So glaubt man allezeit, dass er ein Antichrist,

Ein Gauckler, oder Gaudieb ist.


Fußnoten

1 Wenn Burrhus fraget. Dass diese lächerliche Frage aus der Ehrwürdigen Feder des Vater Bouhours geflossen sey ist bekant; und dörffte ich mich fast erkühnen zu sagen, dass dieselbe manchem geschickten Mann in Deutschland eine nicht geringe Ergetzung gemacht habe. Stehet es in der That einem Frantzösischen Jesuiten übel an, hierinnen in die Fussstapfen eines Frantzösischen Cardinals, ich meine des Cardinals du Perron zu tretten? Und ist es müglich, dass ein Cardinal, der dem unfehlbaren Stuhl so nahe sitzet, in der Irre gehen könne? Welch ein Unglück wäre es vor uns Deutsche gewesen, wenn dieser Cardinal Pabst geworden wäre! Denn er würde als denn ohne Zweifel diesen schönen Einfall canonisiret; und uns folgends in diese unvermeidliche Enge getrieben haben, nemlich: dass wir uns entweder selbst vor Ketzer erkennen, wo wir nur den geringsten Anspruch zum Witz machten; oder vor Dudentöpfe, wo wir als Rechtgläubige von der Welt wolten angesehen werden. Ich weiss mich zwar wol einer Zeit zu erinnern, da, wie unsere Kayser den Frantzosen ihre Könige gefangen nahmen, wir hergegen ihnen vortreffliche und geschickte Leute in ihr Land schickten; welche sie aus der dicken Finsternüss der Unwissenheit, dar innen sie viele Jahrhundert gewallet, gezogen: und das helle Licht der Vernunfft und des Verstandes so gar auch über diejenige ausgebreitet, die ihre Lehre anzunehmen ein Bedencken trugen. So das damals dieselbe allein in Paris und an dem Frantzös. Hofe les beaux esprits, und zwar also κατεξοκιν genennet wurden. Allein es scheinet, dass wir anitzo nicht mehr derselben Lufft geniessen: und dass so viel als Franckreich seit der Zeit unserm Vaterland gegen Süden genommen, dieses auch so viel zum wenigsten gegen Norden zurück müsse gewichen sein. Denn sonsten begreif ich nicht wie unser itzige stumpfe Verstand dem stets bewölckten und unangenehmen Clima könne zugeschrieben werden. Ich hoffe es werde die Zeit noch einst kommen, da wir Deutsche in uns selber gehen, unsere Hände gebrauchen, und diesen vermessenen Nachbarn noch einmahl bessern Witz lehren werden.


Quelle:
Christian Wernicke: Epigramme, Berlin 1909, S. 340.
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