21. Auf den tapferen Marcolphus

[343] Marcolphus schlägt ein Weib,1 das ihm zuwider ist;

Was wunder? hat er nicht offt einen Mann geküsst.


Fußnoten

1 Schlägt ein Weib. Es ist so schimpflich dass ein Mann sich an einem Weibe vergreiffe; als es thöricht ist, dass der löblichen heutigen Gewohnheit nach, ein Mann den andern küsse. Weswegen man allhie die eine Thorheit durch die andere erklären, und beyde zugleich verlachen wollen. Solte aber jemand fragen, wie denn ein Mann, wenn er von einem Weibe öffentlich geschlagen würde, sich verhalten solte; so wil ich demselben zu seiner Nachricht diese zwey Exempel anführen. Ein Frantzösischer Abgesandter an dem Spanischen Hofe hatte seine alte Buhlschaft verlassen und sich an eine neue gehangen. Als er aber nichts desto weniger die erste in ein Schauspiel Scheinhalber geführet, und von der andern, welche unfern von ihm saas, kein Auge lassen konte; so gab ihm jene, so bald sie den Handel merckte, aus Eifersucht einen herben Backenstreich, sagende: dass sie also einen Verrähter abstraffe. Mancher würde sich in dieser Verstöhrung übereilet haben. Der Gesandte aber, der Meister über sich selber war, umfing und küste sie; und diese That wurde von dem König und dem gantzen Spanischen Hofe der zugegen war, vor ein Meisterstück der Höffligkeit gehalten. Das andre ist dieses: Ein ansehnlicher Frembdling kam in eine vornehme Gesellschafft, woselbst nebst vielen andern Partheyen, ein gewisses Fräulein mit einem geheimen Raht an einem besondern kleinen Tisch in Karten, aber so unglücklich spielte, dass der Frembdling der neben ihr stand, ein grosses Mittleiden mit ihr hatte; und als sie einst eine gute Karte verwerffen wolte, sie unvermerckt mit seinem Fuss anrührte: Zur Belohnung aber von dem durch den stetigen Verlust erhitzten Fräulein eine Maulschelle empfinge, mit dem angehenckten Nachricht, dass er hiebey lernen könne, wie er sich ein ander mahl in andrer Leute Spiel mische. Dieses zerstörte die gantze Gesellschaft, und ein jeder war bemühet, den beleidigten Fremdling zu besänfftigen. Weil er aber, ohne jemand das geringste Gehör zu geben, in dem Gemach mit grossen Schritten auf und nieder ging, so setzten sich endlich alle Anwesenden in einem halben Zirckel um den Feuerheerd. Sie hatten nunmehro fast des Frembdlings vergessen, als dieser mit sanfften Schritten sich zu seiner Heldin nahte, mit der rechten Hand die Lehne von ihrem Stuhl niederbeugte, und mit der linken ihre Füsse in die Höhe hieb, sagende: Meine Herren und Frauen, ich bitte euch, saget mir, ob diese Person männlichen oder weiblichen Geschlechts sey: Denn wo sie ein Mann ist, so müssen wir uns einander die Hälse brechen, ist sie aber ein Weibsbild, so ist sie meiner Rache nicht würdig.

Quelle:
Christian Wernicke: Epigramme, Berlin 1909, S. 343.
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