34. An ein gewisses Frauenzimmer

[350] Ich habe mit Bedacht die Zeilen ausgestrichen,

In welchen meine Muse blitzt',

Dass man den Sternen euch so ungeschickt verglichen;1

Ich selbst vergleich' euch ihnen itzt:

Sind eurer nicht so viel, dass man so leichtlich fehlet,

Wenn man euch, als die Sternen zehlet?

Gleicht nicht im Regenkleid' ein schönes Frauen-Volck

Den Sternen unter einer Wolck?

Und dass ich euren Ruhm in zweyen Worten sage,

Und keine mich halt' im Verdacht:

Ihr seyd an Häussligkeit den Sternen gleich bei Tage;2

An Schönheit aber gleich bey Nacht.


Fußnoten

1 Dass man den Sternen euch so ungeschickt verglichen. Es hatte ein gewisser ungeschickter Poet dieses Frauenzimmer den Sternen verglichen, ohne zu sagen worin. Weshalben man in der vorigen Ausgabe diese schwermende Vergleichung verlachet; und die darauf gemachte Uberschrift mit folgenden Verse beschlossen hat:

Die Sterne macht die Zahl berühmter, als ihr Licht.

Man hat aber diese Uberschrift, weil es schiene als hätte man dieselbe so wol wieder das Frauenzimmer als den Poeten gerichtet, nicht allein ausgestrichen; sondern auch, damit man gäntzlich aus dem Verdacht käme, und vor keinen Timon gehalten würde, dieselbe in einer andern den Sternen selbst vergleichen wollen.


2 Ihr seydt an Häussligkeit den Sternen gleich bei Tage. Denn bei Tage lassen sich keine Sterne sehen. Weswegen auch Pindarus in seiner ersten Olympischen Ode, den Himmel bey Tage, eine öde Wüsteney nennet.


Quelle:
Christian Wernicke: Epigramme, Berlin 1909, S. 350-351.
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