22. Ernst/Stern

[382] Durch Versetzung der Buchstaben.


Wie Mars die Tapferkeit, Mercurius die List,

Die Hoheit Jupiter, die Schönheit Venus ist,

So ist Saturn der Ernst. So dass man leicht versteht

Es sey der Ernst ein Stern,1 der Ernst sey ein Planet;

In Langsamkeit so gleich Saturn; dass dieser nicht

Vor Dreyssig, jener kaum vor fünffzig kommt ans Licht.2


Fußnoten

1 Es sey der Ernst ein Stern. Ob gleich diese Versetzung der Buchstaben in sich selber nichts ist, und nur allein durch die Erklärung zu Etwas gemachet wird; so hat man doch dieselbe als einen Freybeuter mit den andern Uberschrifften durchstreichen lassen wollen. Sonst ist man völlig von der Meinung der Jenigen die dafür halten, dass Anagrammata zu machen, nichts anders, als eine Kunst der Dudentöpfe sey, und folgends keines derselben die geringste Aufmerckung des Lesers verdiene; Es sey denn dass es einen geschickten und völligen Verstand mit sich führe. Als dassjenige auf des Kaysers Nahmen, zu der Zeit da er mit den Türcken und Frantzosen zugleich Krieg führete: Leopoldus, pello duos. Oder das auf die Königin Christina: Christina Regina Sueciae, in hac Virgine Caesar est. Oder welches das schonste von allen ist, die Frage des Pilatus. Denn wann er unsern Heyland fraget, Quid est veritas? so antwortet das Anagramma: Est vir qui adest.


2 Jener kaum vor funffzig kommt ans Licht. Es wäre auch nicht zum besten, dass der saure Ernst viel zeitiger sich sehen lassen solte. Sintemahl man sich dadurch in jungern Jahren vor der Welt nur lächerlich zu machen pfleget.

Deme, sagt Horatius,

Deme supercilio nubem: Plerumque modestus

Occupat obscuri speciem, taciturnus acerbi.


Ep. 18. 1. I.


Quelle:
Christian Wernicke: Epigramme, Berlin 1909, S. 382.
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