36. An Acron

[463] Hör', Acron, kürtzlich was du bist:

Scharffsinnig, doch ein guter Christ;

Ein Staatsmann, doch Gewissenhafft,

Und sittsam bey viel Wissenschafft;

Ein grosser Spieler ohne Trug,

Und, ohne Raht zu geben, klug;

Gottsfürchtig ohne Heucheley,

Ein Hoffmann, und dennoch getreu;

Sehr schertzhafft, doch dass nie ein Freund[463]

Sich durch den Schertz getroffen meint;

Aufrichtig, doch mit Höfligkeit,

Ein Buchler ohne falschen Eyd;

Vorsichtig auf der Wollust Pfad,

Und, sonder Eigensinn, ein Raht;

Geschäfftig, sonder Ungeduld,

Freygebig, doch in niemands Schuld:

Noch eins, und ich hab' ausgeschertzt,

Du bist gelehrt, und doch behertzt.


Quelle:
Christian Wernicke: Epigramme, Berlin 1909, S. 463-464.
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