38. Milton mit Blindheit gestrafft

[492] Der blinde Milton1 ward von wenigen beklagt:

Und als hierauf ein Freund von seinem König2 sagt',

Dass diese Straff' ihm sey vom Himmel zugeschickt,

Weil seinen frechen Kiel' er wieder Carl gezückt:

Dass wiedern König ich geschrieben viele Jahr',

Und dass ich nunmehr blind geworden bin, ist war,

Sprach Milton der es hört; doch hab' ich keine Noht:

Denn die sind, die vor ihn geschrieben haben, todt.3


Fußnoten

1 Der blinde Milton. Dieses ist derjenige, der nachdem er blind geworden, das berühmte Helden-Gedicht: das verlorne Paradiess genant, in Versen ohne Reime geschrieben hat.


2 Ein Freund von seinem König. Diese Redens-Art ist etwas seltsam: drücket aber die damahligen Zeiten aus, in welchen die meiste Unterthanen des Königs dessen gröste Feinde waren.


3 Denn die sind, die vor ihn geschrieben haben, todt. Salmasius, der in der Welt wegen seiner Gelartheit in so hoher Achtung war, das Balzac von ihm gesaget: Non homini sed scientiae deest, quod nescivit Salmasius, hatte auf Anreitzung des vertriebenen Königs Carl des zweyten ein Buch geschrieben genant: Defensio pro Rege. Worauf Milton in einem andren Buch, genant: Defensio pro populo Anglicano, denselben so vieler groben Fehler und Irrthümer überwiess, dass der arme Mann sich bald hernach zu Tode grämete.


Quelle:
Christian Wernicke: Epigramme, Berlin 1909, S. 492.
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