21.

Wie Fridbert und Felix Wilibaldum den sackpfeiffer bei nacht gen Boßna bringen und morndiß etlich freündt, herren, sampt dem alten ritter zü gast laden; Wilbald in einem nebengemach sang und pfeiff, wußt

aber nit, wo er was.

[72] Es hatten sich jetzund alle geschefft geendet, jedermann rüst sich wider heimwartz zů riten. Fridbert und Felix fragten iren sackpfeiffer, ob er mit in wolt. Er was sein gar wol zůfriden, fragt nit weiters, ob er reiten, faren oder gon můst; sie aber machten in beritten. Als sie nun aller ding ferig wurden, zalten sie iren wirt, ritten den nechsten weg heimwarts zů. Auff der strassen hatten sie gar vil freüd mit irem sackpfeiffer. Als sie nun auff zwo tagreissen waren geritten und Wilbaldus sein gasthütlein gegen der beiden herren knechten abgezogen, fieng er sie an fragen, wo doch ire herschafften ir wonung hetten. Das aber was ihn zůvor von beiden herren verbotten; dorumb sie dann Wilibaldum mit geschyden und listigen worten abweisen. Der gůt stockfisch gelaubett alles, das man im sagt.

Sie waren jetzund nicht weit mehr von Boßna. Der ein knecht ward zůvor geschicket, ihr zůkunfft zů verkünden, dann sie bey nacht erst kummen würden, dorumb solt man ir an der porten warten. Wilbaldus in im selb heimlich dencken wardt: ›Diß mögen wol seltzam herren sein, das sie erst nachts in die statt reiten wend und deß tags wol zeit genůg hetten.[72] Warlich ich sorg, sie haben nichts gůts im sinn. Wie, wa sie ir kuntschafft wüßten und mich etwan einem kauffmann zůstalten, so mich auff ein galleen schmiden ließ! Sie sehen, ich bin jung und starck; solche gesellen, wie ich bin, bezalt man theür. Sie möchtend auch wol selb kaufleut sein, die mit solcher war umbgiengen. Wann ihm also wer, wolt ich, das mich die wölff im holtz hetten fressen oder aber mich mein meister bey dem zerrissenen vieh funden, het mich an einen baum gehenckt. Dann weger wer einmal gestorben dann allen tag leiden und nit sterben können.‹ Sollich gedancken umbgaben in so starck, das er gantz verdocht saß, auff nichts kein acht hat.

Diß hat Felix bald wargenummen und ihn bey einem arm gezopfft, mit lachenden mund gesagt: ›Heintz Ontrost, biß mannlich! Morgen můst du erst für recht gestelt werden.‹ Damit hand sie ir fatzwerck weiter mit im getreiben; unnd als es sie zeit daucht, seind sie auffgesessen, vollends auff Boßna zůgeritten. Nun schein der mon ein wenig, so das man kein gantz eigentschafft eines dings darbey erkennen kond. Noch dannocht, als sie gar nahend hinzůkamen, beduncket Wilbaldum, er hett die statt vor mehr gesehen; noch meynt er nit, daß es Boßna wer, fraget Fridbertum, wie die statt hieß. Der nant im die, aber mit einem andren nammen. Also ließ er sich aber settigen.

Sie kamen in Felixen schweiger hauß; bey deren wonet Felix und sein weib. Es was aber alle ding dermassen angestifft, das er gar nichts mercken kondt, wo er was. Sie wurden schon empfangen. Dann Felixen diener, so zůvor geritten, hat sie aller ding bericht; so erkanten sie auch wol, das all ir wolfart von disem Wilibaldo harreychet, wiewol es im nit so wol als ihnen geraten was.

Fridbert als er abgesessen und seine stiffel abgezogen, hat er urlob von dem alten ritter genummen sampt seinem weib, zů seinem schwager Felixen gangen, damit sie die nacht vollend freüd mit irem sackpfeiffer hetten. In summa es ward ein köstlich mal zůgericht; und als man zů tisch saß, satzt Felix den sackpfeiffer oben an, neben ihn die beyden jungen frauwen, die dann beyd wol wußten, wer er waß, aber gar[73] nit dergleichen thetten; sie treiben vil gůter riß mit ihm. ›Allmechtiger gott‹, gedocht Wilbaldus, ›was wil doch hierauf werden? Dise herren bieten dir groß zucht unnd ehr; entweder es würt dir gar übel oder gar wol gehn. Wolan, sol mirs dann übel gon, wil ich mir recht vor einen gůten můt haben.‹

Als sie nun wol gessen und druncken hatten, sagt Felix zů seiner schweiger: ›Fraw můter, nimpt euch nit wunder, was ich euch hie für ein gast brocht hab?‹ – ›Sicher nein,‹ sagt sie, ›dann ich sich wol, er ist ein spylmann; das zeügen seine schilt.‹ – ›Ja fürwar,‹ sagt Felix, ›besser sackpfeiffer habend ir in all eüweren tagen nie erhört. Damit ihr aber meinen worten glauben, so lond im sein sackpfeiff bringen! Da werdend ir wunder vernemen.‹ Alsbald brocht man im den sack; Wilbaldus fieng an von seiner wanderschafft zů pfeiffen und singen. Darab in die weiber gnůg freüd namen, sunderlich freüweten sich auff den kunfftigen tag, wie er sich halten wolt, wann er seines vatters ansichtig würd. Die nacht was jetzund mehr dann halb hinweg; darumb begert jedermann an sein rhů, damit sie den morndigen tag in freüden und kurtzweil möchten volnbringen.

Als es nun tag worden und der alt ritter sampt Fridberten auffgestanden, hat in der alt ritter erstlich befragt, wie es im auff der reyß gangen sey. Fridbert antwort mit freudiger stirnen und lachendem mund: ›Allerliebster herr, ir sond wissen, das wir ein wunderbare reyß gehabt. Dann von ungeschicht haben wir meinen lieben brůder, eüweren son Wilbald, funden in einem gar seltzamen stand, des ir euch dann nit gnůg wert mögen verwunderen, so ir ihn sehen wert, das ich dann hoff in kürtze zů beschehen.‹ Gottlieb, der gůt alt mann, wiewol er in grossem zorn gegen seinem son wütet, noch dannocht erregt sich das vätterlich hertz in im, als er von Fridberten aller sach bericht ward, das ihm seine augen übergingen. In groß mitleiden fiel unnd bewilliget also Fridberten an der stett, das er seinem son Wilbaldo vergeben, doch in der gestalt, das er als ein diener bei ihm wonen solt, dieweil er sein gůt vor langem verthon hat.

Felix in solcher zeit all ding nach notturfft anschicket, etlich gůt herren und freünd zů gast lůd; die gantz willich[74] kamen, dann ihn Felix newe zeitung zů sagen versprochen hat. Es ward auch ein seer schimpflicher imbiß darauß, in welchem von etlichen seer gelacht, den andren geweynet ward. Dann der alt ritter sich gantz spat im imbiß sehen ließ; so hat Wilbald zůvor niemant erkennet, biß im sein vatter zů gesicht kam; do erkant er sich erst.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 72-75.
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