22.

Wie Felix und Fridbert ein schimpflich mal zůrichten, etlich gůt herren und freündt darzů laden, deßgleich Gottlieb, den alten ritter, der im halben essen von dem tisch gieng, Wilbald hineingerüffen, zů dem tisch gesetzt ward, Gottlieb nach langem in den sal kam; wie es weiter gieng.

[75] Die herren und gůten freünd, so zů gast geladen waren, kamen sampt iren weiben. Felix in einen nebensal ein taffel für die diener hat zůrichten lassen; bey denselbigen saß auch der sackpfeiffer. Felix befal in, er solt seinen mitgesellen gůt arbeit machen und sich auch beyweilen mit seiner sackpfeiffen hören lassen, damit seine herren und gest auch lichtsinnig davon wurden in dem andren sal. Deß was Wilibaldus gutwillig. So offt man ein richt brocht, sang und pfeiff er leichtsinnig darzů.

Als es nun in halben essen was, staht der alt ritter von dem tisch auff; niemans aber in dem saal wußt von dem anschlag dann der ritter, deßgleich Fridbert und Felix sampt iren beyden weibern unnd der můter. Sobald der alt ritter hinwegkam, saget Felix: ›Lieben herren und frawen, wer es euch nit verdrießlich, ich wolt euch unsern spylmann herinbringen. Ir solten gůt schwenck von im erfaren; weyß auch, eh dann diser imbiß zergoht, ihr wert seltzam obentheür von im hören, darbey erfaren, wer er ist.‹ Das gefiel ihn allen seer wol. Felix brocht in bald an den tisch mit seiner pfeiffen. Als er ein kleine weyl gepfeiffen, hat in Felix gemanet, sein lied allein zü singen.[75]

Wilbaldus in allen dingen gehorsam was, sang von heller luter stimm, versahe sich aber nit, das im sein vatter so nahend was. Welcher wider in den saal geschlichen, sich zů den weiberen an ir taffel gesetzt hat, seinem son den rucken wendet, damit er nit von ihm gesehen würd. Von allen denen, so in der gastung waren, ward genůg gelachet; wann Wilbaldus hat jetzund wol getruncken unnd seines leids gentzlich vergessen. Er was fast gůter schwenck, des ihm dann der gůt alt ritter auch heimlich lachen můßt, thet aber nit dergleichen, das im der sachen wissens were.

Als nun Fridberten zeit bedaucht, das der gůt sackpfeiffer sich einmal selbs erkennen möcht, sagt er: ›Heintz Ohntrost, lieber, sag uns doch die warheit, wo und in wellichem land meynstu, das du und mir all jetzund seiend? Möchtest du auch in einem solchen dienst beharlich bleiben, auch solcher haußmanskost zů gůt haben? Oder belanget dich wider in deines vatters hauß, so scham dich nit, zeigs uns an! Wir wend dir alsam beholffen und beraten sein. Doch můst du uns zůvor den nammen deines vatters, land und statt, in deren du erzogen und erboren bist, anzeigen.‹

Wilbald mit einem grossen seüfftzen anfieng und sprach: ›Allerliebster und getreüwister herr mein, wie mag ich immermer umb euch verdienen des freüntlichen erbietens, so ir mir gethon, ich geschweig der gůtat, so mir schon widerfaren ist! Das ihr mich fragend, ob mir gefall bey euch zů bleiben, darzů antwurt ich, wo mir solche gnad von euch widerfaren, kan ich umb gott nimmermehr verdienen. Das ir aber fragt, ob mir lieber wer bey und umb meinen lieben vatter zů wonen, so sag ich, wann gott geb, das mir mein lieber vatter verzihen, wußt ich kein grösser freüd in aller welt, so mir lieber sein möcht; ich wolt mich gern den ringsten under seinen dieneren achten, mich nit als sein son, sunder als ein gekauffter eigner knecht halten. Damit aber ir vernempt, wer ich sey, darzů mein vatterland unnd meines vatters nammen erkennen, so wißt, das in der statt Boßna mein vatter wonet, ein frummer alter ritter; unnd ich bin eben der Wilbaldus, ein ungehorsammer son, von welchem euch der edelmann gesagt hat in der statt Vladißlavia. Das ich aber meinen nammen[76] verendret hab, allein darumb geschehen ist, das ich besorgt hab, man würd mich erkennen; und so dann mein frummer herr und vatter erfaren, das ich in solchem ellend umbzogen, er möcht sich des so hart kümmern und dardurch in kranckheit und unmüt fallen. Dann mir ist unverborgen, das alten betagten mannen nichts schedlichers dann der zorn sein mag. Wo ich dann ursach zů seiner kranckheit gebe, wie wolt ichs immer gegen gott verantwurten? Dann ist im, wie ir von dem edelmann verstanden habt, das mein liebe můter mit todt abgangen, we mir, wo will ich mit meiner armen seel hin, dieweil ich schuld an irem jämerlichen sterben getragen!‹

Als er semlichs geredt, fieng er an bitterlichen zů weinen, dardurch er sie allsampt zů weynen bewegt. Als sich nun Fridbert wider erholet, sagt er: ›Wolan, mein lieber Wilbalde gehab dich wol! Dein herr und vatter ist mir nit unbekant. Du solt in in gar kurtzen stunden mit deinen augen sehen.‹ Gottlieb der ritter mocht sich auch nit lenger erhalten, stund, auff von dem tisch, an welchem er saß, gieng zů seinem son-und mit gantz bekummerten hertzen sagt er: ›O du mein un, ghorsammer son, weh mir, das ich dich ye gezogen hab! Ach, warumb starbest du nicht in deiner kintheit! So werest du nit ein ursach gewesen an dem todt deiner můter, so wer ich auch meines grossen gůts nit so gar beraubet, welches du mir gar schantlich und lasterlichen verton.‹ Wilbaldus von grossem schrecken nit wußt, wo er was, dieweil er seinen liebsten vatter reden hort. Er saß gantz erstumbt, als wann er ein stein gewesen wer; antworten kond er gar nicht, so kond er auch nit fliehen. So was dem ritter jetzund vor freüd und leyd sein sprach auch gelegen.

Fridbert, welcher gar ein weiser verstandener mann was, gedocht im, wie er sie beid getrösten mocht. ›Strenger lieber herr und vatter,‹ sagt er, ›ich bitt, wöllet semlichen unmůt fallen lassen und gedencken, wie man den sachen thůn mög. Was hein ist, mag herwiderbracht nimmer werden. Euwer haußfraw ist in ewigem läben, hat alles unglück, angst und not überwunden. Hat Wilbaldus das sein üppigklich verthon, so hat er das auch in grosser armůt wider gebüßt. Lottarius, der schantbůb, ist auch umb sein vilfalten bösen stück an[77] dem galgen erworgen, wie dann allen lotteren billich geschehen soll. Darumb, strenger lieber herr, nemmen zů gnaden mein lieben brůder und gesellen! Dann er mag euch in eüwerem schwachen alter noch zů grossem statten kummen. Sein armůt, angst und not würt in dermaß gewitziget haben, das er arges nimmer gedencken würt.‹

Von solchen worten ward Wilbaldus etwas ermundert worden, stund auff von dem tisch, fiel seinem vatter zů fůssen und sagt:

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 2, Tübingen 1903, S. 75-78.
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